Silhouette von LKW vor Piktogrammen von Elektro-, Wasserstoff- und Verbrennungs-Antrieb mit farbliche gedrittelt, Anspielung auf Logistik

Die Logistik der Zukunft

Die letzten Jahre waren schwer für die Logistik-Branche. Die Pandemie hat Lieferketten unter Druck gesetzt. Die Preise für Diesel werden weiterhin eine Herausforderung bleiben, das Verbrenneraus bringt zusätzlichen Druck. In Zukunft wird sich im Transport etwas ändern müssen – auch der Antrieb. // von Klaus Höfgen und Lennart Stöckmann

Das Jahr 2022 war wieder ein schwieriges für Logistikunternehmen. Die Dieselpreise lagen im Jahresschnitt bei 197,3 Cent pro Liter. So hoch wie noch nie. Doch es gab auch gute Nachrichten für die Branche. Tesla hat die Serienproduktion des E-Lkw Semi gestartet, der mit 800 Kilometern Reichweite neue Maßstäbe setzt. Quantron und Clean Logistics meldeten Erfolge bei Lkws mit Brennstoffzelle.

2022 brachte Innovationen bei Lkws

Der Tesla Semi wurde bereits 2017 angekündigt. Ende 2022 erfolgte dann die Vorstellung samt der ersten Übergabe des E-Lkw an Pepsi. Mit 36 Tonnen Gesamtlast, wovon nach Schätzungen von Ingenieuren rund 4,1 Tonnen auf die Batterie entfallen, hat der Sattelschlepper die angekündigten rund 800 Kilometer ohne nachzuladen absolviert, wie Elon Musk auf Twitter schrieb. Die Professorin für Ingenieurmathematik der Hochschule Bonn Rhein-Sieg Anna-Lena Menn hat in der Entwicklung von Antriebssträngen für Elektro-Lkws gearbeitet und kommentiert die Errungenschaft: "Tesla hat den Lkw einfach auf die Straße gebracht und damit andere brüskiert." Warum solche Meldungen zu Elektromobilität seltener aus Deutschland kommen, ist für sie klar: "Der Unterschied liegt im Mindset."

Großauftrag für Lkw mit Brennstoffzelle

Auch bei mit Brennstoffzelle betriebenen Lkws gab es gute Nachrichten. Clean Logistics SE gibt es seit knapp drei Jahren. Die Gründer Dirk Lehmann und Dirk Graszt haben mit dem Fyuriant einen Lkw mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt gebracht, der den DAF XF als Basis hat. Mitte 2022 dann die Erfolgsmeldung der Hamburger: 5.000 dieser Fahrzeuge wurden von der GP Joule Gruppe bestellt, der bisher größte Auftrag dieser Art. Knapp zwei Monate später stellte der bayerische Nutzfahrzeughersteller Quantron auf der Internationalen Automobi-Ausstellung (IAA) Transportation den QHM FCEV vor – einen Sattelschlepper mit Brennstoffzelle und bis zu 1.500 Kilometern Reichweite.

Diesel-Lkws: Emissionen & Effizienz

Bewegung gibt es nicht nur bei Wasserstoff- und Elektro-Lkw, sondern auch auf deutschen Autobahnen. Bisher fahren die Sattelschlepper dort meist mit Diesel. Die Vorteile liegen auf der Hand: Reichweiten bis zu 4.500 Kilometern bei Tankvolumen bis zu 1.500 Litern. Getankt ist dort verhältnismäßig schnell. Zwischen 7 und 15 Minuten dauert das Volltanken an einer Lkw-Zapfsäule, die 100 bis 130 Liter Kraftstoff pro Minute Fördermenge bewältigt.

Dem erprobten Antrieb und hohen Reichweiten stehen Nachteile gegenüber, die die Dachorganisation zahlreicher europäischer Umweltverbände Transport & Environment in einer Studie berechnete. Die Emissionen pro gefahrenem Kilometer betragen rund 700 bis 1050 Gramm CO2. Außerdem ist der Wirkungsgrad des Antriebsstrangs mit 39 bis 45 Prozent gering. Die aufgebrachte Energie für einen gefahrenen Kilometer liegt bei 3,7 Kilowattstunden – mehr als doppelt so viel wie der Tesla Semi benötigt.

Wasserstoff-Lkw: Reichweite & Infrastruktur

Lkws mit Brennstoffzelle bieten ähnliche Vorteile wie Diesel-Lkw – beispielsweise hohe Reichweiten von 1.500 Kilometern, wie sie der QHM FCEV von Quantron bietet oder bis zu 1.000 Kilometer, die der GenH2 von Daimler laut Ankündigungen erreichen wird. Ähnlich schnell wie beim Diesel-LKW geht das Nachtanken – 10 bis 15 Minuten soll das dauern. Der Wirkungsgrad – also das Verhältnis zwischen zugeführter und genutzter Energie – des Antriebsstrangs ist erheblich höher als beim Diesel-LKW und liegt zwischen 60 und 80 Prozent.

Doch Wasserstofftankstellen sind derzeit rar gesät. 2021 waren es insgesamt 92 in Deutschland. Außerdem sind Fahrzeuge wie der GenH2 oder der Sattelschlepper von Quantron noch nicht auf dem Markt verfügbar. Der QHM FCEV soll noch im dritten Quartal dieses Jahres auf die Straße kommen. Hinzu kommt, dass Wasserstoff durch Elektrolyse und Transport bereits an Energie verliert, bevor er im Tank des Lkw ankommt.

Elektro-Lkw: Innovationen in Akku und Stromnetz

Der Tesla Semi hat neue Standards gesetzt. Der durchschnittliche Elektro-Lkw benötigt 1,44 Kilowattstunden pro Kilometer, der Semi lediglich 1,15 Kilowattstunden auf gleicher Strecke bei einem Wirkungsgrad von 85 Prozent. Der Antriebsstrang ist effizienter als bei den Konkurrenten. Professorin Menn fordert: "Daran muss sich die Branche messen." Die Ladezeit beträgt 30 Minuten für 70 Prozent der Reichweite. Die derzeitigen Emissionen beziffert Transport & Environment auf rund 350 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer.

Der Nachteil liegt im Energiespeicher des elektrifizierten Lkw. Der rund 4 Tonnen schwere Lithium-Ionen-Akkumulator ist umweltschädlich und benötigt Materialien wie seltene Erden, deren Gewinnung problematisch ist. Dort muss in Zukunft nachgebessert werden. Dabei gibt es vielversprechende Alternativen, wie den Natrium-Ionen-Akku, der dieses Problem lösen könnte. Auch für das Stromnetz wird eine elektrifizierte Lkw-Flotte eine Herausforderung. Rund 324 Terrawattstunden und damit zehn Prozent des 2015 produzierten Stroms würden laut der Studie von Transport & Environment EU-weit mehr benötigt.

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Thinglink zu den Funktionen des neuen Tesla Semi-Trucks // von Lennart Stöckmann

Die Rolle der Deutschen Bahn in der Güter-Logistik

Die Deutsche Bahn will einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz liefern. Dabei sollen die Straßen nicht nur durch mehr Fahrgäste im Bereich Personenverkehr entlastet und CO2 mit der Aktion Starke Schiene eingespart werden, sondern auch der Marktanteil des Schienengüterverkehrs von 18 auf 25 Prozent steigen. Das entspräche rund 13 Millionen Lkw-Fahrten weniger pro Jahr auf deutschen Straßen. Die Deutsche Bahn errechnete, dass sie mit einem Güterzug 19 Gramm CO2 pro Tonne und Kilometer ausstößt und damit deutlich klimafreundlicher dasteht als ein Lkw mit 103 Gramm. Bis 2038 will sie ihre Züge klimaneutral betreiben, 2016 machten die Erneuerbaren Energien noch 42, 2020 bereits 61 Prozent ihres Stromverbrauchs aus. Bis 2030 soll der Anteil auf 80 Prozent steigen.

Ganz wird die Logistik nicht auf Lkw verzichten. Spätestens bei der Verteilung auf kurzen Strecken werden Straßenfahrzeuge zum Einsatz kommen – auch wenn die Deutsche Bahn ihre Ziele erreichen oder gar übertreffen sollte.

Logistik der letzten Meile

Die letzte Meile ist das letzte Glied in der langen Kette der Logistik. Alexander Wolter, Leiter des Produktmanagements Elektromobilität bei BPW Bergische Achsen blickt in eine positive Zukunft der letzten Meile. „Die letzte Meile ist prädestiniert, um als erstes elektrifiziert zu werden. Die Verteilfahrzeuge machen im städtischen Umfeld viele Stopps und sind nah an erforderlicher Infrastruktur.“ So reichen kleine Lkws mit bis zu 7,5 Tonnen und 200 Kilometern Reichweite aus, die BPW neben einigen anderen Anbietern bereits anbieten und auf deutschen Straßen etabliert haben.

Die Herausforderungen liegen weniger in der Ladeinfrastruktur und mehr in der Anpassung der Logistikunternehmen. „Wir lernen mit den Unternehmen und die Kunden lernen mit uns. Bei Kunden der ersten Stunde
wird bereits am Abend nach Reichweite disponiert und durch die Vorausplanung auf den abendlichen
Akkustand der Fahrzeuge Rücksicht genommen“, erklärt Wolter. Neben elektrifizierten Lkw und Transportern können Lastenräder, Drohnen und andere Technologien helfen, das letzte Glied der Kette klimaneutral zu machen.

Elektromobilität und Stromnetz

Fest steht schon heute: So bleiben wie es ist, kann es nicht. Das Verbrenneraus ist für 2035 beschlossen. Das Stromnetz muss unabhängig von Elektro-Lkws in Zukunft verändert werden. Die Ladeinfrastruktur ist im Ausbau. Laut Bundesnetzagentur gab es zum 1. November 2022 insgesamt 72.091 Ladesäulen in Deutschland. Das Ziel der Ampel-Regierung, eine Millionen Ladepunkte bis 2030 mit dem Tempo des derzeitigen Ausbaus zu erreichen, gilt als unwahrscheinlich. Um die Logistik der Zukunft zu gestalten, braucht die Branche tatkräftige Unterstützung von Gesellschaft, Forschung und Politik.

 

Teaserbild: Verschiedene Antriebsarten konkurrieren um die Gunst der LKW // Quelle: Lennart Stöckmann

1 comments

  1. Melli K. 29 Februar, 2024 at 12:33 Antworten

    Spannender Beitrag! Ich finde es super, dass Elektromobilität inzwischen auch bei LKWs angekommen ist. Meine Flotte hat sich auch vor einiger Zeit dazu entschieden, in Zukunft zunehmend auf E-Mobilität umzusteigen und haben uns schon etwas mit den LKWs auseinandergesetzt. Da ist wie ihr schreibt dann natürlich wieder das Problem mit seltenen Erden, aber ich denke es ist trotzdem erstmal wichtig, in den nächsten Jahren weg von Diesel und co. zu kommen.

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