Hologramme, autonomes Fahren und Telechirurgie sollen durch 5G und 6G zur Realität werden. Die Mobilfunkgenerationen versprechen zukunftsträchtige Technologien – die Vergangenheit zeigt uns, dass Erwartungen bei der Einführung neuer Mobilfunkstandards selten sofort erfüllt werden. Kann ein Blick in die Gegenwart Aufschluss auf die Zukunft geben? // Von Kim Pälschinski und Evelyn Strauch
Innerhalb von fünf Jahren soll sich der globale Datenverkehr knapp verdreifachen. 5G treibt diese Entwicklung zwar voran, bietet aber gleichzeitig auch die Plattform, unsere vernetzte Zukunft zu realisieren. Die Funktionsweise von 5G eröffnet neue technologische Entwicklungschancen, die durch die bevorstehende Einführung von 6G noch mal übertroffen werden sollen.
Schneller, besser, mehr – Das bringt der neue Mobilfunkstandart 5G
Höhere Bandbreiten ermöglichen im Vergleich zu 4G bis zu 20 Mal mehr Daten pro Sekunde zu übertragen. Allgemein soll die Datenübertragung in Echtzeit stattfinden, das bedeutet eine Latenz von einer Millisekunde. Außerdem verspricht das 5G Netz bis zu einer Millionen Geräte pro Quadratkilometer zu vernetzten. Diese Vorteile können allerdings nicht alle im gleichen Maße genutzt werden. Um den spezifischen Anforderungen des Verbrauchers gerecht zu werden, wird das Mobilfunknetz in einzelne Segmente aufgeteilt. Aus dem sogenannten network sclicing resultieren drei unterschiedliche Auslegungen des 5G-Netztes. Jede Versionen zeichnet sich durch andere Charakteristiken aus, die spezifische Anwendungen ermöglichen.
5G Versionen
Enhanced Mobile Broadband (eMMB)
Ultra-schnelles mobiles Breitband
Einsatz: Privatnutzer
Anwendungsbeispiel: Streamen, Downloads und Uploads, VR und AR
Eigenschaften: hohe Datenrate und Kapazität
Massive Machine Type Communications (mMTC)
Einsatz: Kommunikation zwischen Maschinen und Geräten
Anwendungsbeispiel: Vernetzung von Alltagsmaschinen für Smart Homes, Smart Cities und Telemedizin
Eigenschaften: geringen Stromverbrauch
Ultra Reliable Low Latency Communications (uRLLC)
Einsatz: Sichere Datenübertragung
Anwendungsbeispiel: Autonomes Fahren, Industrie und Produktionsanwendungen für Industrie 4.0, Remote Surgery bzw. ortsungebundene Chirurgie
Eigenschaften: schnelle Übertragungsgeschwindigkeit und zuverlässige Informationsübertragung
5G ermöglicht neue Anwendungsbereiche
5G ist also mehr als nur schnelleres Internet für den Privatgebrauch. Mit der neuen Funktionsweise entstehen gleichzeitig auch neue Anwendungen. Der Mobilfunkstandard eröffnet neue Chance in diversen Branchen. Vor allem soll 5G ein Treiber der Industrie 4.0 sein. Die verstärkte und zuverlässige Vernetzung von Geräten (IoT), soll die Automatisierung in der Produktion fördern. Heiko Oberlies, der Experte für Digitalisierung von der Industrie und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, meint, dass vor allem repetitive oder Transportaufgaben von Maschinen übernommen werden. Auch wenn zunächst größere Unternehmen von den neuen Anwendungen profitieren sollen, stelle 5G eine große Chance für mittelständige oder kleine Unternehmen dar. Oberlies erklärt, dass unternehmensspezifische Aufgaben, die heute noch von Hand erledigt werden müssen, zukünftig von modulierbaren Maschinen übernommen werden. Für mittelständige oder stark spezialisierte Hersteller, bedeute das eine Effizienzsteigerung.
Zukunftsvisionen für 5G
Echtzeit-Übertragung ermöglicht Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Frühzeitige Gefahrenerkennung, um Unfällen vorzubeugen.
Gesundheitswesen
Schnelle, energieeffiziente und zuverlässige Signalübertragung ermöglicht Erkennung von Herzstillstand durch Smartwatches und schnelles Eingreifen im medizinischen Notfall. Echtzeitübertragung soll mithilfe von OP-Robotern und erweiterter Realität (augmented reality) dezentralisierte Operationen ermöglichen (remote surgery).
Industrie 4.0
5G trägt durch Kommunikation zwischen Maschinen (M2M) zur Automatisierung von (Produktions-) Prozessen bei und ermöglicht schnelle Problemlösungen bei anfallenden Reparaturen und Wartungsarbeiten an Maschinen.
Smart Cities
Datenübertragung vieler vernetzter Geräte ermöglicht digitale Lösungen in der bürgerzentrierten Stadtplanung.
Das verspricht 6G
Der Mobilfunkstandard 6G befindet sich derzeit in der Entwicklungsphase und strebt die Konvergenz von physischer, menschlicher und digitaler Welt an. Erwartet werden wesentlich höhere Datenraten von bis zu 1 TBit/s im Vergleich zu den aktuellen 20 GBit/s bei 5G. Die Latenzzeiten sollen voraussichtlich auf etwa 0,1 Millisekunden reduziert werden, was eine Echtzeitdatenübertragung ermöglicht. Weitere Verbesserungen umfassen die nahtlose Verschmelzung verschiedener Zugangsnetztechnologien, eine selbstständige Netzoptimierung durch KI, eine höhere Zuverlässigkeit, verstärkte Gerätekommunikation sowie eine Senkung des Energieverbrauchs. Mit 6G sollen neue Anwendungen in verschiedenen Branchen ermöglicht werden, darunter Smart Cities, das Metaverse, IoT in der Industrie, mobile Hologramme und holografische Telepräsenz sowie die virtuelle Gesundheitsfürsorge. Es müssen jedoch technische Herausforderungen überwunden werden, wie die Erschließung neuer Frequenzbereiche, die Untersuchung der Eignung sehr hoher Frequenzen und die Standardisierung des 6G-Netzes.
Ein Blick in die Gegenwart
Verbraucher werden schnell feststellen, dass die versprochenen Spitzendatenraten von 20 Gigabit pro Sekunde nicht erreicht werden. Laut Anne Geelen, Pressesprecherin der Telekom, hängt die Geschwindigkeit im Mobilfunk stark von der verfügbaren Bandbreite ab. Derzeit stehen der Telekom im 3,6-GHz-Frequenzband 90 MHz zur Verfügung, was Bandbreiten von etwa 1 GHz ermöglicht. Zusätzlich setzt die Telekom auf Carrier-Aggregation im 5G Non-Standalone (NSA)-Netz, bei dem LTE-Frequenzbänder mit den 5G-Bändern gebündelt werden. Dadurch können Geschwindigkeiten von über einem Gigabit pro Sekunde erreicht werden, zumindest im Idealfall. Die Suche nach Standorten für 5G-Masten gestaltet sich als komplexe Aufgabe. Orte zu finden, die sowohl eine optimale Abdeckung und Kapazität gewährleisten als auch den Anforderungen der Anwohner und Behörden gerecht werden, sei eine Herausforderung.
Werden Hologramme schon bald Teil unserer Realität?
"Darüber eine Aussage zu machen, wäre wie in eine Glaskugel zu schauen", sagt Aydin Sezgin, Experte für Mobilfunktechnologie. Die Zukunftsvisionen von Anwendungen wie Hologrammen, autonomem Fahren oder remote surgery klingen faszinierend, doch in der Realität werden sie noch einige Zeit auf sich warten lassen. Müller und Sezgin betonen, dass mit jeder Einführung eines neuen Mobilfunkstandards viele Versprechungen gemacht wurden, die erst mit der darauffolgenden Generation eingetreten sind. Endverbraucher können nicht automatisch mit der versprochenen Latenzzeit oder den beworbenen Datenübertragungsraten rechnen. Obwohl der Netzausbau voranschreitet und 5G bereits viele Verbesserungen mit sich bringt, brauchen die visionären Anwendungen noch Zeit, um Teil ein unserer Realität zu werden.
Teaserbild: Neue und alte Funktechniken sind gleichermaßen erforderlich. // Kim Pälschinski