Schluss mit schlechter Luft und wenig Konzentration! Studierende der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg helfen Schulen in Sankt Augustin mit dem Einbau von Lüftungsanlagen. Technikjournal hat die Studierenden begleitet.//Von Leonie Welters und Jonas Girgenrath
Ausgerechnet am heißesten Tag im Mai müssen wir in das Rhein-Sieg-Gymnasium, ein Bau aus den 60er Jahren. Wir treffen die Studierenden vollgepackt mit Rohren und Hauben. Der neu renovierte Pausenhof sticht uns vor dem alten Schulgebäude ins Auge. Vorbei an Bibis Büdchen geht es zu den Klassenräumen, wir müssen in den vierten Stock. Hitzefrei gibt es trotz schlechter Luft nicht. Wenig Konzentration und Lustlosigkeit erwarten die Lehrer. Aber damit ist jetzt Schluss. Das Gymnasium erhofft sich, durch Lüftungsanlagen diesem Problem ein Ende zu setzen. In dieser Reportage begleiten wir Studierende der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg bei dem Einbau in der Schule und zeigen, warum sich das Lernumfeld dadurch verbessern wird.
Lüftungsanlagen auch nach Corona?
Lüftungsanlagen können viele Vorteile bringen. Populär sind sie zu Hochzeiten des Corona-Virus geworden, doch auch nach dem scheinbaren Ende der Pandemie werden sie vielerorts eingesetzt. Denn sie filtern nicht nur potenzielle Viren aus der Luft, sie verbessern auch die Luftqualität und können im Sommer die Raumtemperatur kühlen. Trotzdem sind viele Schulen der Meinung, dass Lüftungsanlagen nicht gebraucht werden, da keine direkte Gefahr mehr bestehe, sie nicht effizient genug wären und die Kosten zu hoch seien. Auch am Rhein-Sieg-Gymnasium wurden während der Corona-Hochzeit Luftfilter benutzt, die die Verbreitung des Corona-Virus eindämmen sollten. Mittlerweile wurden diese kleinen transportablen Luftfiltermaschinen abgeschafft, da sie hohe Kosten verursachen und als störend empfunden wurden.
Einbau der Belüftungsanlage im Rhein-Sieg-Gymnasium. // Galerie: Leonie Welters
Herausforderungen bei Installation der Lüftungsanlagen
Als wir am Raum angekommen sind, mit allen Rohren und Hauben im Gepäck, müssen wir erstmal warten, denn es wird noch unterrichtet. Nach dem Gong und vielen verdutzten es geht es los. Tische werden verrückt und Equipment ausgepackt. Die drei Studierenden bekommen eine Leiter vom Hausmeister gestellt und klettern sie hoch, um die Fensterfront abzukleben. Frank Dieball, Leiter des Projektes, ist mit vor Ort und erklärt: „Es war sehr schwierig, eine passende Folie zur Abdeckung dieses Fensters zu finden, da es sehr lang, aber nicht hoch ist.“ Beim Ventilator haben die Studierenden wirklich Glück: Die Decke des Klassenraums hat überall kleine Löcher, die den Lärm schlucken sollen. Somit lassen sich einfach Kabelbinder hindurchstecken und der Ventilator aufhängen. Hauben und Rohre haben sie schon vorher zusammengebaut. Im nächsten Schritt müssen alle drei Studierende anpacken, denn das große Zentralrohr soll aufgehängt werden. Da sie nur eine Leiter haben, werden die Schultische mitbenutzt.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.thinglink.com zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.thinglink.com zu laden.
Aufbau der Belüftungsanlage. // Grafik: Leonie Welters
Die Entwicklung einer kostengünstigen und effektiven Lüftungsanlage
Die Belüftungsanlage wurde am Max-Planck-Institut für Chemie von Frank Helleis, Gruppenleiter Instrumentenentwicklung und Elektronik mit seinem Team entwickelt. Seiner Meinung nach ist es die effektivste Anlage ist, die es gibt. Der Kostenpunkt soll bei 300-1000 Euro liegen, je nachdem welcher Ventilator benutzt wird. Im Vergleich kosten normale Anlagen mindestens das Zehnfache. Auf seiner Website stellt er die Entwicklung der Anlagen vor und außerdem den Bauplan, der es ermöglichen soll, die Anlagen einfach nachzubauen. Voller Stolz erzählt Frank Helleis, dass er in Rheinland-Pfalz bereits 1500 dieser Anlagen verbaut hat. “Mir war es sehr wichtig, dass unsere Anlage kostensparend ist und dabei einfach nachgebaut werden kann.” Um zu beweisen, wie gut seine Anlage wirklich ist, haben Frank Helleis und das MPIC eine Studie durchgeführt, die belegt, dass die MPIC Voll- und Halbsysteme, sprich mit oder ohne Hauben, die besten Methoden sind, um für frische und saubere Luft zu sorgen.
Fertigstellung der Anlage
Damit sich niemand an den Hauben oder Rohren stoßen kann, sollen sie auf einer Mindesthöhe von 2 Meter hängen. Das klappt bis auf eine kleine Ausnahme bei jedem Rohr perfekt. Einmal schnell nachjustiert und schon hängt die Anlage auf der ersten Hälfte des Klassenraums. Die Hauben können einfach in die präparierten Löcher der Rohre eingesteckt werden und werden dann mit Klebeband fixiert. Am Ende soll nur noch das Zentralrohr in die Folie des abgeklebten Fenster hineingelegt werden und mit Klebeband Luftdicht verschlossen werden. Mit der passenden Folie lässt sich das Fenster versiegeln, denn sonst würde der Ventilator nicht nur frische Luft, sondern auch die alte Luft aus dem Klassenraum durch die Anlage hineinblasen. Der erste Test ergab, dass der Ventilator noch nicht richtig lief und irgendwo hakte. Nach eifrigen Herumprobieren und neu Verkleben haben die Studierenden es aber doch in den geplanten drei Stunden geschafft und konnten in den verdienten Feierabend gehen.
Wie finden die Lehrer die neuen Lüftungsanlagen?
Leo Sträßer ist Lehrer für Naturwissenschaften an der Fritz-Bauer-Gesamtschule in Sankt Augustin, wo die Studierenden bereits eine Belüftungsanlage eingebaut haben. Trotz der Lüftungsanlage steht Sträßer der Schweiß auf der Stirn, aber er hat eine Lösung: Eiscreme. Auch uns bietet er etwas an. „Ich habe während Corona unterrichtet. Schüler zu sehen, die bis zu sechs Mal für eine zweiwöchige Quarantäne nicht die Schule besuchen konnten, das hat mich echt mitgenommen.” Er wünscht sich, dass eine Pandemie nicht mehr aufkommen wird. Aber falls doch, hofft er, mit Hilfe von diesen Lüftungsanlagen für die nächste Pandemie gewappnet zu sein. Der erste Eindruck der Anlagen hat ihn überzeugt und er ist sich sicher, dass auch ohne Pandemie seine Schüler:innen mit der verbesserten Atemluft konzentrierter lernen können.
Zunehmende Bedeutung von Belüftungssystemen
Die ersten Umfragen an der Schule ergeben, dass die Schüler:innen die Anlagen größtenteils positiv empfinden. Wichtig für den Unterricht ist, dass die Anlagen nicht stören. Für die Studierenden war das Projekt eine durchweg gute Erfahrung. Der Einbau der Anlagen stellte für sie aber nur einen Teil dar. So haben sie sich beispielweise auch mit dem Energieverbrauch der Anlagen beschäftigt, der ja möglichst gering sein soll. Student Muslim Amiri errechnet einen Leistungsverbrauch von rund 0.5 kWh, wenn der Ventilator auf mittlerer Stufe läuft, was 15 Cent pro Tag an Stromkosten bedeuten würde. Diese Berechnung bestätigt die Einschätzung des Entwicklers Frank Helleis, dass es sich derzeit um die effizienteste Lüftungsanlage handelt. Die Studierenden waren generell von der Idee der Lüftungsanlagen angetan und können sich auch für die Mensa der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Anlagen vorstellen.
Die Auswirkungen guter Raumluftqualität auf das Lernumfeld
Teaserbild: Schulen können wieder, Dank Belüftungsanlagen, aufatmen. // Bild: Leonie Welters