Forscherinnen und Forscher an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg entwickeln ein neues E-Bike. Dieses soll die Fahrer nicht nur unterstützen, sondern auch gegenbremsen können. // Von Julian Promies und Jennifer Reisloh
Der Elektrotechnikstudent Christoph Schmid und Informatikstudent Felix Hampe entwickeln im Projekt "Effiziente Transportalternativen" (eTa) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (HBRS) dieses E-Bike, das die Leistung des Fahrers konstant halten soll. Dies ermöglicht ein Motor, der sich an einer festgelegten Wattzahl orientiert. "Wenn diese Wattzahl nicht erreicht wird, bremst der Motor gegen", so Schmid. Dadurch würde der Fahrer angeregt werden, stärker in die Pedale zu treten.
Das E-Bike besitzt zwei sogenannte BLDC-Motoren. Diese haben keine Bürsten und somit entstehen keine Schleifkontakte. Dadurch haben sie eine höhere Lebensdauer als andere Motoren. Nur der vordere Motor besitzt einen eigenen Antrieb, um die aufgebrachte Kraft des Sportlers zu kontrollieren. Ein Display zeigt die Geschwindigkeit während der Fahrt an.
Die Rolle der Herzfrequenz
Wann und wie stark das E-Bike den Fahrer unterstützt, hängt von den jeweiligen Leistungsdaten ab. Hierzu soll ein Fahrradcomputer zukünftig personenbezogene Daten ermitteln. Dazu zählen das Fahrttempo, die zurückgelegten Höhenmeter, die Höhe des Streckenverlaufs und die Herzfrequenz. Diese Daten sollen künftig von dem Fahrradcomputer über Bluetooth an das Fahrrad weitergeleitet werden.
Melanie Ludwig hat sich während ihres Informatikstudiums an der HBRS auf die Modellierung der Herzfrequenz spezialisiert. In ihrer Promotionsarbeit untersucht sie die Auswirkung der Herzfrequenz auf die Leistung der Sportler. Dabei wird die Herzfrequenz von äußeren Faktoren beeinflusst. "Beispielsweise durch Aufregung während der Fahrt, die Temperatur oder ein vorheriges Training. Dadurch steigt die Herzfrequenz", so Ludwig.
Zukünftig soll die Unterstützung des Motors auch von der Herzfrequenz abhängen. "Die Steuerung soll sich auch auf die Herzfrequenz beziehen", fügt Ludwig hinzu.
Die ermittelten Daten des Brustgurts sollen in Zukunft auf ein Programm übertragen und dort ausgewertet werden. So lassen sich personalisierte Trainingspläne erstellen, die anschließend auf das E-Bike übertragen werden. "Das Programm soll vorhersagen, wie der Kreislauf einer Person auf die jeweilige Belastung reagiert", erklärt Professor Asteroth, Leiter des Projekts "eTa". Aus den Trainingsplänen berechnet das Programm die Wattzahl, die der Fahrer durchgängig treten soll.
Zu wenig Belastung der Menschen
Im Vergleich zu gewöhnlichen E-Bikes soll sich die Unterstützung des Motors nach den ermittelten Daten des Brustgurts und einem vordefinierten Trainingsplan richten. "Je nach Trainingsziel und aktueller Herzfrequenz der Fahrerin oder des Fahrers soll der Motor mehr oder weniger unterstützen", erklärt Ludwig. Das sei bei den gewöhnlichen E-Bikes anders, so Ludwig. "Entweder, man muss den Motor selbst regulieren, oder es gibt ein Schwellwert-basiertes Verfahren, bei dem der Motor ab einer definierten Herzfrequenz an- oder abgeschaltet wird", sagt Ludwig. Dies birgt das Risiko der körperlichen Unterlastung. Das bestätigt auch Professor Asteroth: "Überlastung ist nicht das Problem, sondern Unterlastung. Die Leute belasten sich eher zu wenig als zu stark."
Das sieht auch der Vorsitzende des Umwelt-, Planungs- und Verkehrsausschusses der Stadt Sankt Augustin Marc Knülle so. "Die Leute haben durch das Fitness-E-Bike eine sportliche Belastung", so Knülle. Für ihn sei das Fitness-E-Bike eine effiziente Maßnahme im Gesundheitsbereich. "Durch den Komfort des Rads und den erzielbaren Ergebnissen wird eine höheres Wohlbefinden der Leute ermöglicht", erklärt Knülle.
Vermarktung ist entscheidend
Peter Feld, Geschäftsführer des Fahrradgeschäfts "Fahrrad XXL Feld", traut dem Fitness-E-Bike eine Zukunft auf dem Markt zu. "Diese Technik ist auf dem Markt vorstellbar. Müsste aber preislich stimmen und einfach bedienbar sein", sagt Feld. Seiner Meinung nach sei die Zielgruppe für das E-Bike aber schon klar. "Die Zielgruppe sehe ich vor allem in älteren Menschen und im Reha-Bereich", so Feld. Das Fahrrad sei ideal anwendbar im City-Bereich. Wichtig sei eine gute Vermarktung des Produkts. "Eine gute Vermarktung zeichnet sich dadurch aus, dass Kunden selbständig in den Laden kommen und nach dem Produkt fragen", so Feld.
Ein ähnliches E-Bike sei schon mal von einem deutschen Fahrradhersteller und Zulieferer für Fahrrad XXL Feld, entwickelt worden, so Feld. "Dies konnte sich aber aufgrund nicht ausreichender Vermarktung nicht durchsetzen", berichtet er.
Ein Problem des Fitness-E-Bikes von Hampe und Schmid ist die geringe Motorleistung von nur 250 Watt. Damit seien lediglich 20 Stundenkilometer möglich, so Student und Entwickler Felix Hampe. "Damit ist der Verwendungsbereich des E-Bikes eingeschränkt. Dies ist problematisch beispielsweise bei einer Bergfahrt", sagt Hampe.
Das Gesamtprojekt eTa
Die Forschungen an dem Fitness-E-Bike sind ein Teilgebiet des Gesamtprojekts eTa – Effiziente Transportalternativen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Das Projekt befasst sich mit der Energieeffizienz von Fahrzeugen und erstellt dazu alternative Mobilitätskonzepte. Ein alternatives Forschungsobjekt im Projekt eTa ist das Velomobil. Dies sind Liegeräder, die bis zu 80 Stundenkilometer erreichen können. Damit sollen sie als effizientere und umweltfreundlichere Alternative zum Auto dienen. Sie können von einem Elektromotor betrieben werden und stoßen keine Emissionen aus. Auch die E-Bikes zählen zu alternativen Mobilitätskonzepten, da diese auf nicht-fossilen Energieträgern basieren. Das Projekt zielt auf gesteigerte Sensibilität für alternative Transportmittel an der Hochschule ab, um umgesetzt zu werden. Begonnen haben die Forschungen im Juli 2017 und sollen noch bis Juni 2021 andauern. Mitfinanziert hat das Projekt das Bundesministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Kosten in Höhe von einer halben Millionen Euro teilt sich das Bundesministerium mit der Hochschule.
Als Kooperationspartner dienen unter anderem das Deutsche Museum Bonn, die Stadt Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis. Momentan befinden sich die Ausarbeitungen der Trainingspläne an dem E-Bike noch in der theoretischen Phase. Dies ist für Professor Asteroth aktuell anders auch nicht möglich. "In einigen Fällen kommen wir gar nicht in die praktische Umsetzung", berichtet Asteroth. Das treffe beispielsweise auf Belastungstests zu, die momentan nicht durchführbar seien, so Asteroth weiter. Aus diesem Grund kooperieren die Forschungsgruppen der Hochschule und der Universität Mainz sowie der TU Darmstadt, die solche Belastungstests für die Hochschule durchführen wollen. "Dadurch sehen wir, wie es in der Praxis funktioniert und akzeptiert wird", erzählt Asteroth.
Trainingsmodellierung entwickelt sich weiter
Als Etappenziele in der weiteren Forschung möchten Felix Hampe und Christoph Schmid unter anderem die Genauigkeit der Sensoren auswerten und gegebenenfalls verbessern. Dabei soll auch ein neuer Sensor angebracht werden. "Bislang haben wir nur einen Sensor, der die Tretleistung des linken Beines aufnimmt. Solch ein Sensor soll nun auch für das rechte Bein angebracht werden", erklärt Schmid.
Das Projekt wird in ein bis zwei Jahren abgeschlossen sein, die Forschung werde jedoch weitergehen, so Asteroth.