Für viele Fans war die Absage großer Sportveranstaltungen der Moment, in dem sich die Coronakrise besonders bemerkbar machte. Zuschauer von Fußball, Basketball und Eishockey fragen, wann der Spielbetrieb wieder regulär aufgenommen werden kann. Motorsportfans hingegen müssen nicht warten. Einige Profirennfahrer nehmen online an sogenannten Sim-Racing-Wettbewerben teil.Coronakrise im Motorsport
Was ist Sim-Racing?
Coronakrise gibt eSport RückenwindCoronakrise im Motorsport
Bereits die ersten Rennen, die innerhalb kürzester Zeit an den Start gingen, sorgten für überraschend hohe Zuschauerquoten. Der Erfolg dieser Rennen ist ein Beweis dafür, wie populär der Sim-Rennsport während des Aufschwungs des eSports und der Ära von Gaming-Livestreams geworden ist. Seit 2015 kann man davon sprechen, dass die eSport-Branche boomt. Mit mehr als 100 Millionen Euro jährlicher Umsatzsteigerung ist die Gamingszene als Absatzmarkt wahrnehmbar geworden. Zwischen 2015 und 2018 wurden gleich mehrere eSport-Ableger von Fußballvereinen gegründet, wie Schalke 04, Paris Saint Germain oder Besiktas Istanbul.
Es zeichnet sich ab, dass ein neues Zeitalter des wettbewerbsorientierten, virtuellen Motorsports vor uns liegt. In den letzten Tagen war der Stream von McLarens Formel 1-Pilot Lando Norris mehrmals der meistgeklickte auf der Streaming-Seite twitch.tv. Die Übertragung zum "Virtual Grand Prix", der von der Formel 1 unterstützt und sogar von TV-Anbietern wie Sky Sports in Großbritannien live ausgestrahlt wurde, hat hunderttausende Zuschauer erreicht.
The first #VirtualGP was a ????? hit ?
From start to finish ?#F1Esports ? pic.twitter.com/Hum2EYZvRw
— Formula 1 (@F1) 23. März 2020
Profisportler gegen ProfizockerCoronakrise im Motorsport
Es handelt sich dabei aber nicht ausschließlich um einen Trainingsersatz für Rennfahrer, sondern erweist sich als wahrer Publikumsmagnet. Wenn Formel 1-Youngster Lando Norris oder Max Verstappen gegen den englischen Profigolfer Ian Poulter ins Rennen gehen oder sich Real Madrids Torwart Thibaut Courtois hinters Steuer setzt, kann man sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Bei Social Media-Aktionen der Spieleentwickler, die zum Zusammenhalt in Zeiten des Social Distancing aufrufen, bieten viele Profis an, online gegeneinander anzutreten.
In Quarantäne hat man mehr Zeit. Profisportler haben die Möglichkeit andere Sportarten für sich zu entdecken. Zwar nur virtuell, aber dafür messen sie sich mit anderen Professionellen aus dem echten Leben und bieten damit exklusive Unterhaltung für den Zuschauer. Wer denkt, es würden nur prominente Sportler an diesen Rennen teilnehmen, irrt sich. In der Sim-Racing-Community offenbaren sich einige Talente, die den ganz Großen aus der Motorsportszene durchaus gewachsen sind.
Die Formel 1 betreibt bereits eine offizielle eSports-Serie im Internet und wird das neu gewonne Publikum mitnehmen wollen, wenn es wieder "auf den Asphalt" geht. Auch außerhalb der Formel 1 gibt es viel zu sehen. In Racing-Spielen wie Raceroom, rFactor und iRacing finden neben den ernsthaften Rennen ähnlich beliebte Veranstaltungen im Netz statt. Wussten Sie etwa, dass jedes Jahr eine virtuelle Version des 24-Stunden Rennen von Le Mans stattfindet?
Schreibtischstuhl oder RennsitzCoronakrise im Motorsport
Bei der Vergleichbarkeit zwischen Rennsimulatoren und einem echten Rennwagen ist man sich einig. „Sim-Racing ist mit Sicherheit nicht das Gleiche wie die Realität, und es wird nie genau das Gleiche sein, aber für den Augenblick ist es in einer Situation wie dieser das Beste, was wir erreichen können.“, sagte Profifahrer Charles Leclerc gegenüber dem amerikanischen Motorsportmagazin Racer.com.
Trotzdem ist das Sim-Racing eine gute Alternative, um fit am Lenkrad zu bleiben. Ein Manko ist jedoch die geringe körperliche Betätigung bei simulierten Rennen. Mit einem echten brummenden Motor unter dem Hintern und g-Kräften, die in steilen Kurven auf den Fahrer wirken, kann die Spritztour aus dem Wohnzimmer nicht mithalten. Um dem entgegenzuwirken, betreiben Rennfahrer jedoch ein ausgewogenes Home-Workout, damit sie fit bleiben.
Genau so macht es auch Fabian Peitzmeier, ambitionierter Nachwuchsrennfahrer des BRS-Motorsport-Teams an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: „Besonders Ausdauer-, aber auch Stabilitätsübungen lassen sich auch super von zu Hause machen. Da braucht man nicht zwingend ein Fitnessstudio“.
Motorsport statt Denksport
Sofa statt Tribüne am NürburgringCoronakrise im Motorsport
Peitzmeier stünde eigentlich in den Vorbereitungen für das vierte Rennen der Nürburgring Langstreckenserie (NLS). Auch hier wurden alle Rennen für die nächste Zeit abgesagt. „Der neue Termin ist für September angesetzt und ich hoffe, dass das Rennen dann auch stattfinden kann“, verrät der 22-Jährige. Wer jedoch nicht gänzlich auf qualmende Reifen an der Nordschleife verzichten möchte, kann an einem Rennen im virtuellen Raum teilnehmen, das von der NLS organisiert wird. Im Livestream konnte man bereits den Saisonstart mit einer realitätsnahen Übertragung auf dem Bildschirm verfolgen.
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Links ein echter Rennwagen und rechts ein Simulator. Hätten Sie den Unterschied erkannt? Quelle: pixabay // BRS Motorsport via Flickr
Gaming und Livestreams für den guten Zweck
Was passiert mit den Werbeeinnahmen, die bei einer virtuellen Sportveranstaltung eingespielt werden? Erfreulicherweise spenden viele Betreiber diese für einen wohltätigen Zweck. Um beim Rennsport zu bleiben: das #RaceForGood des deutschen Rennstalls Rutronik Gaming spendet alle Einnahmen an die Laureus Sport for Good Stiftung, die Kindersportprojekte unterstützt, die aufgrund der aktuellen Coronakrise nicht stattfinden können. Andere Sportarten ziehen mit. Der DFB veranstaltet den Livestream #WePlayAtHome, bei dem Prominente und Fußballstars wie Lukas Podolski oder Bernd Leno aus dem Wohnzimmer zocken. Der Erlös kommt der Initiative "Kinderträume" zugute, die sich für körperlich und geistig behinderte Kinder einsetzt.
Wohltätiges Rasen
Revolution in der Grafikbranche
Videospiele glänzen innerhalb der letzten Jahre mit immer besser werdender Grafik. Einige können selbst Animationsfilmen Konkurrenz machen. Das liegt vor allem an der Leistungssteigerung im Hardwarebereich und neuen Mitteln zur Berechnung von Beleuchtungen. Michael Wimmer vom Institut für Visual Computing und Human Centered Technology an der TU Wien ist Leiter der Gruppe für 3D-Visualisierung.
Dass Rennsimulatoren immer realistischer wirken, verdankt man der Raytracing-Technologie (z. Dt.: Strahlenverfolgung). „Der Begriff Raytracing bezeichnet die mathematische Berechnung des Weges, den ein Lichtstrahl nimmt.“, erklärt Wimmer.
Strahlenverfolgung im Fokus
Die Technologie hat ihren Ursprung in den 1980er Jahren. Erfunden wurde sie von Douglas Scott Kay und Turner Whitted. Sie erlaubt es, Lichtquellen sowie Lichtstrahlen und deren Reflexionen exakt zu errechnen. Dank des erheblichen Fortschritts der Grafikkomponenten ist es mittlerweile möglich, diesen komplizierten Prozess auch in Echtzeit ablaufen zu lassen. Gegenüber früheren Methoden hat sich die Berechnungszeit um ein Zehntel reduziert.
Der Prozess der Strahlenverfolgung funktioniert einfach ausgedrückt so: Die Berechnung startet meist am Auge. Es wird „ein Strahl durch ein Pixel des Bildschirms geschossen” damit Pixel für Pixel ein gesamtes Bild entsteht. Daraufhin werden alle Objekte in der Szene geschnitten und somit die nächstgelegenen Objekte sichtbar. Wenn Objekte spiegelnd sind, werden dort reflektierende Strahlen zusätzlich berechnet, um weitere Einflüsse zu berücksichtigen.
Bei dem beschriebenen Prozess handelt es sich um das sogenannte "Whitted" Raytracing. Dabei werden Reflexionen sowie die Brechungen als Sekundärstrahlen verfolgt und Strahlen zu den Lichtquellen geschossen, um Schatteneffekte zu berücksichtigen.
“In der aktuellen Debatte wird Raytracing aber meist für die Funktionalität verwendet, einen Lichtstrahl mit der Szene zu schneiden”, stellt Wimmer fest. Es gibt viele Algorithmen zur physikalischen Lichtberechnung, die wesentlich bessere oder genauere Ergebnisse liefern. „Das sogenannte Path Tracing kann zum Beispiel indirekte Beleuchtung berücksichtigen und ist mittlerweile das Standardverfahren für die Berechnung von Animationsfilmen“, ergänzt er.
Raytracing auf der Kinoleinwand
Selbst Hollywood nutzte im Film "Cars" (2006) Methoden des Raytracing. Aber auch realistisch aussehende Filme wie die neueste Star Wars-Episode "Der Aufstieg Skywalkers" (2019) wurden mit Hilfe dieser Technologie animiert. Raytracing ist der herkömmlichen Rasterisierung von Grafikkarten einen Schritt voraus. Diese entspricht nämlich nur einem einzelnen Strahl, der vom Auge zum ersten Objekt führt. „Trotzdem ist es üblich, auf eine Kombination beider Methoden zu setzen, denn am besten funktionieren [...] immer noch hybride Ansätze [...], bei denen die einfachen Lichtinteraktionen mit Rasterisierung berechnet werden, und die schwierigen mit Raytracing.”, erläutert Wimmer. Somit entstehen realistischere Szenen mit schöneren Reflexionen, Brechungen und indirekten Beleuchtungssimulationen.
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Funktionsweise von Raytracing. Quelle: Timrb / wikimedia commons
Wie geht es weiter im Motorsport? Coronakrise im Motorsport
Durch die Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 6. Mai 2020 wurde Deutschland der Weg in den gewohnten Alltag wieder schrittweise geebnet. Die Bundesliga kehrte am 16. Mai zurück. In der Formel 1 berät man momentan über ein Sicherheitskonzept, welches unter anderem Coronatests an jedem zweiten Tag im Fahrerlager beinhaltet. Ein fertiges Konzept würde bedeuten, dass der Sim-Racing-Sport Teilnehmer verlieren würde, zumindest Profirennfahrer. Dennoch konnte die virtuelle Alternative unter Beweis stellen, dass sie weitaus mehr als Unterhaltung ist, nämlich auch eine potenzielle Ausweichmöglichkeit für verhinderte Rennfahrer. Vielleicht sehen wir eines Tages verletzte Profis, die sich virtuell ihre Fahrkünste erhalten wollen.
Der eSport profitiert mit Sicherheit von dem Bild, zu dem die Corona-Pandemie ihm verholfen hat. Er wurde vom Nischeninteresse auf eine größere Bühne gehoben. Hauptsächlich fand die Übertragung der Rennen im Internet statt, allerdings mit höheren Klickzahlen als bisher. Der Virtual GP China hatte zeitweise mehr als 100.000 Zuschauer im Livestream. Gemeinnützigen Stiftungen kam die Reichweite der professionellen Sportler zugute. Sie gab wichtigen Anliegen größere Aufmerksamkeit. Untereinander konnten Profis andere Sportarten, zumindest virtuell, für sich entdecken. Dem Zuschauer wurde neben dem Entertainment eine besondere Nähe zum Idol geboten.
Teaserbild: Die Rennsportszene verschiebt sich in den virtuellen Raum. Quelle: pixabay
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