Drei Menschen stehen und sitzen um einen Tisch herum. Sie unterhalten sich. Über einem Mensch ist eine Sprechblase. Darin Piktogramme einer Glühbirne, sowie von Nachrichten auf einem Tablet und einem Mobiltelefon.

Streaming und Fernsehen-Konkurrenz oder Koexistenz?

Streaming hat in den letzten Jahren den Medienkonsum dominiert. Doch bedeutet das auch, dass die etablierten Player sich vollständig daran anpassen müssen? //Benedikt Rütering und David Campos

Die Zukunft ist individuell

Der Anlass für die Studie ist weiterhin aktuell: Die etablierten Strukturen der Videobranche werden rasant durch On-Demand-Angebote aus dem Markt gedrängt. Die Konsumenten haben vom süßen Nektar des zeitlich unabhängigen und individuellen Medienkonsums à la Netflix, Amazon und Co. gekostet und erwarten das ab sofort von ihren Medienangeboten. Die traditionellen Fernsehanbieter wollen sich also diesem Trend anpassen. Diese Anpassung verlangt allerdings fundamentale Veränderungen, vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat über Jahrzehnte eine Infrastruktur aufgebaut, die auf linearen Medienkonsum ausgerichtet ist. Das bedeutet ein festgelegtes Angebot zu festgelegten Zeiten, ohne Möglichkeit der individuellen Auswahl.

So funktioniert das Streaming

Für die „einfache“ Datenübertragung, also das reine Herunterladen von Informationen, nutzt das Internet ein Übertragungsprotokoll, das sich TCP/IP nennt. Das steht für Transfer Control Protocol und der Hauptfokus liegt darauf, sicherzustellen, dass die heruntergeladenen Informationen vollständig und fehlerfrei beim Endnutzer ankommen.

Für das Streaming von Audio- und Videoinhalten ist dieses Protokoll allerdings nicht praktikabel, hier kommt das zweite der beiden wichtigsten Übertragungsprotokolle des Internets zum Einsatz. Dieses heißt UDP/IP, das steht für User Datagram Protocol. Hier sendet der Nutzer einmal die Anfrage zur Datenübertragung an den Server. Dieser schickt dann seine Datenpakete und überprüft nicht mehr, ob diese auch ankommen. Fehlende Bild- oder Audioframes fallen in einem Videostream nicht weiter auf, hier liegt der Fokus auf dem korrekten zeitlichen Ablauf der Daten.

Streaming bedeutet, dass der Endnutzer nie den ganzen Film zur selben Zeit irgendwo auf seinem System liegen hat, sondern immer nur die gerade benötigten Datenpakete plus ein paar im Voraus, um kleine Verzögerungen in der Datenübertragung abpuffern zu können.

Das wissen wir sicher

Die Deloitte-Studie „The future of the TV and video landscape by 2030” stellt den vier bereits erwähnten Zukunftsszenarien mehrere Entwicklungen voran, von denen mit Sicherheit auszugehen ist:

Digitalisierung die Produktion und Distribution der Inhalte verändern. Ausgebaute Glasfaserinfrastruktur wird die stark erhöhte Menge an digitalen Datenströmen möglich machen. Die Konsumenten werden sich die Inhalte auf mobilen Endgeräten anschauen und künstliche Intelligenz wird bei der individuellen Empfehlung von Content an die User behilflich sein.

Zweitens werden traditionelle Angebote neben diesen neuen On-Demand Angeboten koexistieren. Vor allem Liveübertragungen von bedeutenden Ereignissen wie sportlichen Events oder Konzerten werden den traditionellen TV-Anbietern ihren Platz im Markt sichern.

Drittens wird Werbung im gleichen Maße personalisiert, wie auch die Medienangebote individualisiert werden. Durch die Daten der Konsumenten können die Werbeanbieter ihre Zielgruppen präzise erreichen. Für den Umgang mit den Userdaten wird es neue Regulierungen geben müssen und hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit die User dazu bereit sind, ihre Daten preiszugeben.

Darüber hinaus werden die Einnahmen aus der Werbung sowie die direkten Einnahmen von den Konsumenten die wichtigsten Geldströme bleiben.

Digital Platform Companies werden zur Konkurrenz

Die vier Zukunftsszenarien decken ein Spektrum von Möglichkeiten ab, das sich zwischen „einige wenige global player mit digitalen Plattformen haben den Markt übernommen“ und „es ist ein diverses Ökosystem mit einer Vielzahl von Angeboten entstanden“ bewegt. Sie alle haben gemeinsam, dass sogenannte „digital platform companies“ den Markt für Fernseh- und Videoangebote durchdringen werden.

Von linear zu on demand

Das digitale Pendant zum linearen Medienangebot ist die Mediathek. Hier stehen die Inhalte digital zur Verfügung und sind individuell abrufbar, als Livestream oder Video. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist durchaus ein gewisses Bemühen zu erkennen, auch digital verfügbar zu sein. So gibt es eigene Mediatheken für ARD, ZDF, arte, 3sat und den Bayerischen Rundfunk. In diesen Mediatheken sind Livestreams des jeweiligen Senders abrufbar, sowie einige zusätzliche On-Demand-Angebote der Sender passend zu den Liveprogrammen. Hier zeigt sich ein weiterer Aspekt mit Verbesserungspotential: Aus lizenzrechtlichen Gründen stehen die meisten Sendungen nach der Ausstrahlung im TV nur eine begrenzte Zeit online zur Verfügung. Um die Attraktivität der Mediatheken zu erhöhen, müssten hier rechtliche Reformen gemacht werden.

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Zwei Aspekte sind wichtig

Prof. Dr. Wolfgang Heiden ist Professor für Hypermedia- und Multimedia-Systeme an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg. Er sieht zwei Aspekte, die für den Ausbau von Streamingangeboten wichtig sind:

„Wenn Sie schon eine Grundinfrastruktur haben, aber dem Publikum neue Wege oder neue Zugänge eröffnen wollen, dann müssen Sie sich primär um das Userinterface kümmern, also wie erfährt das Publikum von dem Angebot und wie komfortabel kann es das Angebot nutzen. Angenommen, das schlägt jetzt wirklich ein, und wird vom Publikum angenommen, dann kann das dazu führen, dass der Datendurchsatz höher wird, das Angebot stärker wahrgenommen wird und dann brauchen Sie größere Server, bessere Bandbreite und schnellere Datenspeicher.“

Prof. Dr. Irene Rothe, Professorin für Mathematik und Informatik an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg sieht das ähnlich: „Meiner Meinung nach sollte der Fokus auf der Verbesserung der Zugänglichkeit und Nutzerführung liegen. Das Wachstum der Plattform wird dann folgen.“

Eine Frage des Empfangs

Der Breitbandatlas des BMDV des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr wurde zuletzt Mitte 2021 veröffentlicht. In ihm sind die verfügbaren Internetgeschwindigkeiten in den verschiedenen Teilen Deutschlands dargelegt. Doch was wird überhaupt benötigt?

Das Streaming von High-Definition(HD) Videos, also mit einer Auflösung von 1280x720 Bildpunkten erfordert eine Bandbreite von 5 Mbit/s. Diese Auflösung ist aber bereits relativ veraltet, inzwischen hat sich Full HD (1920x1080) durchgesetzt, der Trend geht in Richtung UHD (Ultra HD) mit einer Auflösung von 3840x2160 Bildpunkten. Um UHD-Videos flüssig streamen zu können, benötigen die Menschen zu Hause mindestens eine Internetgeschwindigkeit von 25Mbit/s.

Die Infrastruktur ist gerade so gut genug

Mitte 2021 verfügten 95% der Haushalte in Deutschland über Internetanschlüsse mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50Mbit/s. 79,7% können auf mindestens 200Mbit/s zurückgreifen.  Über 62% der Haushalte haben sogar Gigabitanschlüsse mit Geschwindigkeiten von bis zu 1000 Mbit/s.

Es ist festzuhalten, dass in Deutschland ein deutliches Gefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten herrscht, was die verfügbare Internetgeschwindigkeit angeht. In städtischen Gebieten haben 78,4% der Haushalte Zugriff auf eine Internetgeschwindigkeit von 1000 oder mehr Mbit/s, diesen Wert erreichen nur 22,9% der ländlichen Gebiete, also weniger als ein Drittel.

Die für das Streaming von Videoinhalten in UHD-Auflösung benötigten 25 Mbit/s erreichen selbst auf dem Land 89,2% der Haushalte, in Großstädten liegt dieser Wert über 90%.

Die nötige digitale Infrastruktur zum Streamen von Inhalten in die Haushalte ist in Deutschland also weitgehend vorhanden. In den ländlichen Gebieten muss noch ein bisschen Aufholarbeit zum Erreichen der 25 Mbit/s – Grenze geleistet werden.

Streaming ist nicht umweltfreundlich

Für Prof. Dr. Heiden steht in der Frage des Streamingaufbaus vor allem der Umweltaspekt zu wenig im Fokus:

„Auf der einen Seite führen alle Nachhaltigkeit in ihren Reden. Große Server mit riesigen Festplatten, die dann noch sehr schnell sind, rund um die Uhr laufen und mit enormer Bandbreite die Daten übers Internet schicken, sind nicht nachhaltig. Die sind enorm energieaufwändig und genau das wollen wir eigentlich nicht. Was dann wieder interessant wäre, das wären dann noch effizientere Algorithmen, um den Datendurchsatz zu verringern. Dann könnte man sich auch ein größeres Angebot leisten, ohne dadurch den Internettraffic enorm zu erhöhen.“

Modernisierung mit Augenmaß

Es ist also eine Sache der Abwägung: Natürlich sollte Deutschland die digitale Transformation der Medienangebote vorantreiben. Nicht zuletzt, um international als Industrienation wettbewerbsfähig zu bleiben und der Bevölkerung möglichst zeitnah möglichst viele Informationen zur Verfügung stellen zu können. Es zeigt sich jedoch, dass der Umweltaspekt, wie in eigentlich allen Modernisierungsvorhaben, eine einfache Antwort verhindert.

 

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