Mit dem Comeback der Schallplatte wird wieder zunehmend darüber diskutiert: Was klingt besser, analog oder digital? Nicht wenige sind der Meinung, dass Schallplatten originalgetreuer und natürlicher klingen als digitale Formate. Aber ist da wirklich etwas dran? // Philip Hohn und Patrick Mühling
Totgesagte leben länger – als im Jahr 1982 die CD auf dem Markt eingeführt wurde, war die Musikindustrie im digitalen Zeitalter angekommen. Das bis dato gängigstes Medium um Musik zu hören, die Schallplatte, wurde zunehmend aus den Wohnzimmern verbannt und der Plattenspieler durch einen CD-Spieler ersetzt. Das neue Medium brachte gegenüber den analogen Formaten wie Platte oder Kassette viele Vorteile mit sich, die der gelegentliche Musikhörer sehr begrüßte. So sind CDs gegenüber Schallplatten wesentlich einfacher in ihrer Handhabung, unempfindlicher gegenüber Verschmutzung, robuster und pflegeleichter. Vor allem aber produzieren sie im Gegensatz zur Platte keine Störgeräusche beim Abspielen, wie Rauschen oder Knacken. Und dennoch: Seit einigen Jahren steigen die Verkaufszahlen von Schallplatten stetig an. Immerhin werden laut dem Bundesverband Musikindustrie seit dem Jahr 2017 allein in Deutschland jährlich über drei Millionen Schallplatten verkauft.
Die Schallplatte ist nicht kleinzukriegen
Die Rückkehr zur Schallplatte ist heute die Gegenbewegung zum modernen, digitalen Weg des Musikhörens, wo nahezu jedes Album, jeder Song, immer und überall abrufbar ist und häufig nur beiläufig angehört wird. Es gibt unter Platten-Liebhabern allerdings nicht wenige, die Schallplatten digitalen Formaten vorziehen, weil sie angeblichen tatsächlich besser klingen. Ihrer festen Überzeugung nach klingen Schallplatten und andere analoge Formate natürlicher, voluminöser und detailreicher, als ihre digitalen Gegenstücke. Aber wie groß ist der Klangunterschied zwischen digital und analog tatsächlich? Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen analog und digital verstehen.
Seit über 130 Jahren das gleiche Prinzip
Moderne Schallplatten bestehen aus dem Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC), oft einfach als "Vinyl" bezeichnet. Die Funktionsweise hat sich aber kaum geändert. Die meisten Schallplatten werden bis heute im Pressverfahren hergestellt. Dabei wird das Tonmaterial über elektrische Impulse mit einem beheizten Schneidstichel aus Diamant in eine Lackplatte geschnitten. Damit die Schallplatte später einen Stereo-Ton erzeugen kann, wird der Stichel von zwei gegenüberliegenden Spulen im 45 Grad Winkel angetrieben.
Die fertig bespielte Lackplatte, die sogenannte "Mutter" wird nun mit Silber und Nickel beschichtet. Wird diese Schicht von der Mutter gelöst, erhält man ein Negativ, den sogenannten "Sohn". Um das Tonmaterial auf Schallplatte in Serie zu fertigen, werden die Söhne beider Seiten der Platte in eine hydraulische Presse eingespannt. Dort wird ihr Rillen-Muster unter einigen Tonnen Druck zusammen mit den Etiketten auf eine Eishockey-Puck ähnliche Form aus erhitztem PVC gepresst. Kühlt der Kunststoff ab, ist die Schallplatte fertig.
Beim Abspielen der Schallplatte auf dem Plattenspieler fährt die Diamantnadel am Tonabnehmer durch die Rillen der Schallplatte und wird in Schwingung versetzt. Diese Schwingung wird mithilfe eines Magneten und einer Spule im Tonabnehmer in elektrische Impulse umgewandelt, die verstärkt und an die Lautsprecher weitergegeben werden.
Auch in Tonstudios wird noch vereinzelt mit analoger Technik gearbeitet. Mit der Technik stirbt aber auch das Handwerk aus. "Dieser Beruf ist mit viel Leidenschaft verbunden. Unsere Komponenten sind zum überwiegenden Teil noch aus den alten Zeiten", sagt Oliver Weiskopf. Er betreibt in Siegburg ein Tonstudio, in dem immer noch analog auf Tonband aufgenommen werden kann. Die Künstler entscheiden sich bewusst dazu, ihre Werke analog aufzunehmen, so Oliver Weiskopf.
Wie funktioniert digitales Audio?
Wenn Musik digital verarbeitet wird, werden die Informationen als binärer Code auf dem Computer gespeichert. Das bedeutet, dass die analog aufgenommenen Töne über einen Wandler in einen dualen Code umgewandelt werden. Dieser besteht, wie jede digitale Information, aus vielen Einsen und Nullen. Wenn diese Töne nun umgewandelt sind, wird die Sound-Kurve in Abschnitten aufgenommen, wobei mit jeder dieser Momentaufnahmen ein sogenanntes Sample entsteht. Die wichtigsten Begriffe, um digitales Audio nun vollständig zu verstehen sind Sample-Rate und Bittiefe.
Die Sample-Rate gibt an, wie viele Samples pro Sekunde aufgenommen werden und wird in der Einheit Hertz oder Kilohertz angegeben. Eine Sample-Rate von zehn Hertz bedeutet, dass zehn Samples pro Sekunde aufgenommen werden. Stellt man sich nun jedes dieser Samples als Punkt in einem Diagramm vor und verbindet diese Punkte, entsteht eine Replikation der Sound-Kurve, die jedoch nicht exakt mit der ursprünglichen Kurve übereinstimmt. Je mehr Samples pro Sekunde aufgenommen werden, also je mehr Punkte zur Vervollständigung dieses Diagramms vorhanden sind, desto besser wird die Sound-Kurve kopiert und desto genauer ist der aufgenommene Ton am Original dran. Wird eine Sample-Rate von 44.100 Hertz Beziehungsweise 44.1 Kilohertz verwendet, was dem heutigen Mindeststandard entspricht, so werden 44.100 Samples pro Sekunde aufgenommen und die originale Sound-Kurve beinahe exakt kopiert. Fällt die Sample-Rate unter diesen Standard, so hört man Verzerrungen und Tonfehler.
Bitte ein Bit
Anschließend wird das Audio-Signal quantisiert, um den Abschnitten jeweils einem der zwei Zustände (1 oder 0) zuzuordnen. Diesen Prozess kann wie das Runden von Geld verstanden werden. Wenn jemand beispielsweise 5,90 Euro in seiner Tasche hat, wird er auf Nachfrage sagen, dass er ungefähr sechs Euro bei sich trage. Nach diesem Prinzip verläuft die Quantisierung von elektrischen Audio-Signalen. Wie stark nun gerundet beziehungsweise in Form gebracht wird, wird durch die Bittiefe angegeben. Ein Bit ist eine Einheit aus der Informatik und ist ein Maß für den Informationsgehalt. In einem Bit kann entweder eine Eins oder eine Null aus dem binären System des Computers abgelegt werden. Bei einer Bittiefe von 1-Bit, werden die Samples auf zwei verschiedene Zustände verteilt, woraus sich eine quantisierte Kurve ergibt. Je höher man quantisiert, desto weniger Zwischenräume sind noch zwischen den einzelnen Zuständen vorhanden. Dadurch wird der Klang detailreicher.
Also, was klingt denn jetzt besser?
Schallwellen sind von Natur aus analoge Signale. Viele Vinyl-Enthusiasten sind der Meinung, dass eine analoge Aufnahme und anschließende Wiedergabe der einzig wahre Weg ist, um Musik so zu genießen, wie sie vom Künstler aufgenommen wurde. Bei der digitalen Aufnahme gingen so wichtigen Nuancen des Klangs verloren, da nicht die gesamte Sound-Kurve vom digitalen Sampling abgebildet wird, sondern lediglich fest definierte Intervalle. Die digitale Aufnahme hat sich im Laufe der Zeit stark verbessert. Durch die hohe Bittiefe und gleichzeitig hohe Sample-Rate wird die analoge Sound-Kurve der Musik beinahe perfekt kopiert, was einen deutlichen Unterschied zur frühen digitalen Aufnahme darstellt, als man noch an der Technik feilte und weniger Wert auf Klangqualität legte. Bei jeder Art von Konvertierung von analog zu digital und andersherum besteht allerdings die Gefahr, dass die Qualität des Materials leidet.
Wenn Künstler heute ihre Alben auf Vinyl verkaufen, wurde im Tonstudio zumeist digital aufgenommen, weshalb das gemasterte Material bei der Herstellung der Mutter der Schallplatte vom Digitalen ins Analoge übersetzt wird. Wer sich also den bestmöglichen Musikgenuss ermöglichen möchte, sollte in diesen Fällen auf eine CD zurückgreifen. Das gilt auch für Alben, die zwar auf analogem Equipment aufgenommen, aber für sogenannte Remaster digital neu gemischt und anschließend auf Vinyl veröffentlicht wurden. Meistens handelt es sich dabei um Alben, die über 30 Jahre alt sind. Wer Wert auf einen möglichst originalgetreuen Klang legt, kauft sich am besten eine originale Pressung aus der Zeit der Veröffentlichung des Albums. Ein untrainiertes Ohr wird aber kaum einen Unterschied wahrnehmen.
Von Wachs zu Vinyl
Die Funktionsweise der Schallplatte beruht auf dem Prinzip des, von dem Amerikaner Thomas Edison 1877 erfundenen. Phonographen. Dabei sprach Edison in einen Trichter, an dessen Ende eine Membran eine Nadel in Schwingung versetzte. Die Nadel schrieb die Schwingungen der Membran als wellenförmige Vertiefungen in einen Zylinder aus Wachs, der mit der Hand gleichmäßig gedreht wurde. Um das aufgenommene Material zu reproduzieren, ließ man den Prozess rückwärts ablaufen – man setze die Nadel an den Anfang der erzeugten Rille und drehte wieder den Zylinder mit der gleichen Geschwindigkeit. Die Nadel versetze beim Fahren durch das bei der Aufnahme erzeugte Wellenmuster die Membran entsprechend in Schwingung. Zum ersten Mal konnte ein aufgenommener Ton reproduziert werden. Edisons Erfindung erlaubte es jedoch nicht, das gespeicherte Material zu vervielfältigen.
Das gelang erst zehn Jahre später dem deutsch-amerikanischen Erfinder Emil Berlin. Anstatt die Schallwellen wie Edison horizontal auf den Tonträger einzugravieren, entwickelte er ein Gerät, welches die aufgenommen Schallwellen mithilfe eines Schneidstichels horizontal in eine mit Ruß überzogene Glasplatte einritze. Nachdem der Ruß gehärtet wurde, konnte ein Negativ aus Zink hergestellt und als Stempel für beliebig viele Exemplare verwendet werden. Die Schallplatte war erfunden.