Egal ob Leber, Niere, Herz oder Lunge: Alle Organe haben individuelle Strukturen und Funktionen. Forscher versuchen nun Organe aus dem 3D-Drucker herzustellen und diese zu integrieren. Der Druck ist aktuell noch nicht gelungen, trotzdem verspricht die Forschung Erfolge für die Zukunft. // von Milena Klein und Nils Stellmach
Der Bedarf an Organen ist groß. Allein in Deutschland warten aktuell 8500 Menschen auf ein Spenderorgan. Im Jahr 2021 gab es 933 postmortale Organspender, also Verstorbene, die ihre Organe spenden. In Deutschland ist die Spendenbereitschaft im europaweiten Vergleich sehr gering, denn es gibt gerade einmal elf postmortale Spender pro eine Million Einwohner. An einer möglichen Lösung für den großen Bedarf an Organen wird bereits geforscht. Viele Forscherteams suchen nach einer Möglichkeit, Organe mit dem 3D-Drucker herzustellen.
3D-Organe durch Bioprinting
Das Bioprinting ist ein 3D-Druckverfahren, bei dem mit lebenden Zellen gedruckt wird. Dabei wird eine Biotinte verwendet, die aus Zellen und Flüssigkeit besteht, ein sogenanntes Hydrogel. Das Besondere am Bioprinting ist, dass sich Zellen nach dem Druck nochmals verändern können. Das bedeutet, sie wachsen und entwickeln sich selbstständig. Für das Verfahren gelten bestimmte Temperaturregelungen, die sich an der Körpertemperatur des Menschen orientieren, die bei circa 37 Grad Celsius liegt. Außerdem muss der Druck in einer sterilen Umgebung stattfinden. Die Dauer des Drucks ist auf eine Stunde beschränkt, da die Zellen sonst anfangen abzusterben.
Forscherteams erzielen Fortschritte
Obwohl es bisher nicht möglich ist, funktionsfähige Organe aus dem 3D-Drucker herzustellen, haben Forschende schon einige Fortschritte erreicht. Technikjournal hat mit zwei Forschern gesprochen. Doktor Peter Koltay vom Institut für Mikrosystemtechnik der Uni Freiburg beschäftigt sich mit Stammzellen. Diese werden aus dem Fettgewebe entnommen und dann außerhalb des Körpers vermehrt. Für den Organdruck wird versucht die Zellen so zu reprogrammieren, dass sie sich beispielsweise in Leberzellen entwickeln. "Die Strategie ist, solche autologen Zelltherapien zu machen. Autolog bedeutet, dass die Zellen identisch sind, also von dem Körper entnommen, in den sie wieder eingesetzt werden," schildert Koltay das Ziel.
Erste Patente angemeldet
Auch Professor Michael Gelinsky, Leiter des Zentrums für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung der TU Dresden forscht mit einem Team an neuen Methoden. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit der Entwicklung von neuen Materialien für die Biotinte. Hierfür hat er schon einige Patente angemeldet. Es ist ihm gelungen, ein Trägermaterial für die Gewebe- und Zellkulturen zur Herstellung von Implantaten oder Implantatmaterialien zu entwickeln. Außerdem hat er ein Hydrogel zur Behandlung von Beschädigungen des Nervensystems hergestellt. Obwohl die Forscher schon individuelle Fortschritte erzielt haben, sagt Koltay: "Es gibt aktuell keine zugelassene Methode oder Klinik, die standardmäßig patientenspezifisch druckt und das Gedruckte auch funktionsfähig einsetzen kann."
Hindernisse beim 3D-Druck von Organen
Die Forscherteams stehen gerade beim 3D-Druck von Organen vor großen Herausforderungen. "Zunächst einmal ist die Organstruktur sehr komplex und muss verstanden werden. Diese unterscheidet sich von Organ zu Organ", erklärt Gelinsky. Die Leber besteht beispielsweise aus verschiedenen Zelltypen und hat vier Kanalsysteme, die alle miteinander verwoben sind und in den Druck integriert werden müssen. Eines der Systeme sind die Blutgefäße, durch die die Leber mit Sauerstoff versorgt wird. Die Gefäße starten bei der Größe eines Daumens und müssen bis auf die Größe von Mikrometern gedruckt werden, damit noch wenige Blutzellen hindurchkommen. Der Prozess muss auch umgekehrt funktionieren, von klein nach groß. Integriert man diese Kanalsysteme nicht, sterben die Zellen ab, da sie nicht mit genug Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, schildert der Forscher das Problem weiter. "Das allein ist schon eine wahnsinnige Herausforderung", die nicht nur ihm und seinem Team, sondern allen Forschern im Weg stehen.
Erste Erfolge mit lebenden Zellen
Trotz der vielen Herausforderungen, die es noch zu überwinden gilt, gibt es auch schon erste kleinere Erfolge. Einem Team des schwedischen Karolinska Universitätskrankenhauses ist es gelungen, einen Teil der Luftröhre mit patienteneigenem Material zu ersetzen. Dabei wurde ein Implantat in einer rohrartigen Struktur aus eigenem Zellmaterial hergestellt und dem Patienten erfolgreich eingesetzt. Außerdem werden Wirkstoffe von Medikamenten an Gewebestrukturen aus dem 3D-Drucker getestet. Ziel ist es, dadurch auf lange Sicht Tierversuche zu verringern.
Tote Materialien werden implantiert
Tote Materialien wie Kunststoff oder Titan werden schon verwendet, um Prothesen oder Implantate zu drucken. Dies kommt in der Gesichtschirurgie zum Einsatz und eignet sich für Leute, die große Verletzungen durch Unfälle erlitten haben. Ein Forscherteam aus Basel ist darauf spezialisiert, komplizierte, feine Knochen spezifisch für den Patienten zu drucken. Diese Knochen können medizinisch schon eingesetzt werden. Das Problem dabei ist, dass sie nicht mitwachsen, denn es sind keine lebenden Zellen und somit kein Bioprinting.
Gängigste Drucktechnik beim Bioprinting
Beim 3D-Druck handelt es sich um additive Verfahrenstechniken, die Objekte werden also Schicht für Schicht aufgebaut. Die gängigste Drucktechnik beim Bioprinting ist der Extrusionsdruck. Dabei werden ganze Stränge durch Druckluft aus der Düse gepresst. Diese Technik ist eine einfache Druckmethode und deshalb auf einfache Formen beschränkt. Obwohl mit verschiedenen Biomaterialien gedruckt werden kann, können die Zelltypen nicht gezielt platziert werden. Es können nur nicht miteinander verbundene und poröse Strukturen hergestellt werden. Deswegen werden meist nur rohrförmige Gerüste gedruckt. Der Nachteil dieser Methode ist, dass sich ausschließlich zähflüssiges Material drucken lässt. Um diese Strukturen drucken zu können, wird eine Vorlage benötigt. Beim Druck von Organen könnten das zum Beispiel CT-, MRT- oder Röntgenbilder sein.
Viel Raum für Forschung
Um wirklich Organe drucken zu können, muss noch viel Forschung betrieben werden. Deshalb glaubt Professor Michael Gelinsky, dass zu seiner Lebzeit nichts klinisch Einsetzbares mit Bioprinting hergestellt werden kann, um es in einen Menschen zu transplantieren. Trotzdem sei Bioprinting in Zukunft weiterhin ein wichtiges Forschungsthema und könne gerade in der Medizin einige Probleme lösen. Dennoch bleiben auch für Doktor Koltay viele Fragen offen. "Wie garantiert man die Versorgung des Gedruckten bis zur Implantation?" oder "Wie kommen Nerven beim Bioprinting ins Gewebe?" Er denkt, dass Bioprinting eher dort angewendet wird, wo die Gewebe nicht so komplex sind, zum Beispiel Knorpel, Knochen oder Netzhaut.
Teaserbild: Zukunftsvision: Organe aus dem 3D-Drucker //Nils Stellmach