Fachleute sind sich sicher: Ohne Künstliche Intelligenz (KI) ist autonomes Fahren nicht möglich. Bevor autonome Fahrzeuge auf die Straße kommen, müssen sie sicherer fahren als Menschen. Ohne einheitliche Regulierung ist dies nicht möglich. // Von Pascal Jobst und Tobias Nietgen
Die Automatisierung ist ein wichtiger Treiber für eine neue und sichere Ära und wird in den nächsten Jahren immer mehr die Mobilität beeinflussen. „Der Variantenreichtum an Verkehrssituationen erlaubt keine klassischen Entwicklungsverfahren, die auf Anforderungen und Spezifikationen beruhen. Auch greifen bestehende Absicherungsmaßnahmen zu kurz. Daher brauchen wir KI“, erklärt Eric Sax, Experte für autonomes Fahren und Professor beim Karlsruher Institut für Technologie.
Sicherheit im Straßenverkehr
Der wichtigste Punkt beim autonomen Fahren ist die Sicherheit der Menschen und damit die Frage zu möglichen Unfällen oder Sicherheitslücken. Laut Umfragen der Prognos AG glauben 45 Prozent der Autofahrer nicht an die Verlässlichkeit der Fahrzeugtechnologie oder haben Angst vor Hackerangriffen. Der ADAC prognostiziert, dass sich die Zahlen der Unfälle je nach Automatisierungsgrad der Fahrzeuge weiter reduzieren. Denn bei 90 Prozent aller Unfälle ist menschliches Versagen die Ursache. „Dass die deutliche Absenkung der Unfallzahlen mit schwerwiegenden Folgen überhaupt eintritt, sollte natürlich eine Voraussetzung sein“, sagt Professor Hanno Gottschalk, Experte für autonomes Fahren. Dieser Prozess wird aber langwierig sein. Menschlich und autonom gesteuerte Fahrzeuge werden noch viele Jahre im Mischverkehr fahren. „Ich erwarte, dass die autonomen Fahrzeuge weiterhin in Unfälle verwickelt sein werden, und dass diese Unfälle andere Unfälle sein werden, als die von menschlichen Fahrern verursachten“, erklärt Gottschalk.
Projekte für die Zukunft
Mobileye, ein Tochterunternehmen von Intel, hat wegen diesen Sicherheitsgründen eine wegweisende Technik entwickelt. So zum Beispiel die Responsibility-Sensitive-Safety-Plattform (RSS). Das System verfolgt bei Fahrerassistenzsystemen und deren Entscheidungen einen mathematischen Ansatz und kann bei Fahrzeugen verschiedener Hersteller eingesetzt werden. Einen anderen Ansatz verfolgt das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (Frauenhofer IIS) mit seinem Projekt KI-Flex. Es geht um eine Plattform, die durch Methoden der Künstlichen Intelligenz hilft, Fahrzeugposition und Umfeld zukünftig exakt zu erfassen.
Als erstes Land weltweit hat Deutschland eine Analyse des Bestands und des Bedarfs an Normen und Standards für diese Technologie entwickelt. Das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN), die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) haben der Bundesregierung eine Normungsroadmap für KI vorgestellt. In dem gut 200-seitigen Dokument gibt es Handlungsempfehlungen für die Normung und Standardisierung rund um Künstliche Intelligenz.
KI-Systeme in der Mobilität und Logistik
Eines von sieben Schwerpunktthemen in der Roadmap ist Mobilität und Logistik. Normen und Standards sollen helfen, eine sichere KI-gesteuerte Mobilität zu fördern. Auf technischer Ebene kann die Sicherheit von autonom fahrenden Fahrzeugen im Laufe ihrer Inbetriebnahme sichergestellt werden. Sie beschreiben zum Beispiel klare Anforderungen an Prüfverfahren für automatische Entscheidungsfindungen in Fahrzeugen.
Viele Geschäftsprozesse wie der öffentliche Personenverkehr oder die Verkehrsflussteuerung müssen miteinander interagieren. Dabei sind sie auf kooperierende Systeme angewiesen. Wenn diese Prozesse nicht direkt miteinander verknüpft sind, kommt die Interoperabilität ins Spiel. Dies bezeichnet die Fähigkeit unterschiedlicher Systeme möglichst nahtlos zusammenzuarbeiten. So werden zeitliche Verzögerungen oder Missverständnisse minimiert. Ebenso haben Schnittstellen eine große Bedeutung für KI-Systeme. Es geht dabei unter anderem um eine mehrgliedrige Transportkette, die unterschiedliche Verkehrszweige für Personen und Güter integriert. KI-Systeme, die im Bereich Mobilität und Logistik genutzt werden, müssen sicher und konform sein.
Erklärbarkeit und Validierung
KI in Deutschland etablieren
Normungen und Standardisierungen sorgen für eine Zusammenarbeit und das Vertrauen in KI-Systeme. Somit soll der Weg für „KI – Made in Germany“ geebnet werden. Rund ein Jahr haben 300 Fachleute aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft an den Handlungsempfehlungen gearbeitet. Deutschland gehört im Bereich der KI-Forschung weltweit zur Spitze. Die Empfehlungen der Normungsroadmap sollen dabei helfen, die deutsche Wirt- und Wissenschaft im internationalen Wettbewerb weiter zu stärken. Darüber hinaus sollen innovationsfreundliche Bedingungen für die Technologie geschaffen werden, sodass neue Projekte konkretisiert und umgesetzt werden.
Nummer 1 beim autonomen Fahren
Deutschland soll laut dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine Führungsrolle beim autonomen Fahren einnehmen. Die Bundesregierung will die Forschung und Entwicklung vorantreiben, um die Mobilität in Zukunft vielseitiger, sicherer, umweltfreundlicher und nutzerorientierter zu gestalten. Es wird daran gearbeitet, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Andreas Scheuer glaubt, dass Deutschland als erstes Land weltweit autonome Fahrzeuge im Regelbetrieb auf die Straße holt. Sax hält dagegen: „Die Zulassungsschranken und der Datenschutz in Deutschland legen die Messlatte für automatisierte Systeme sehr hoch und verlangsamen die Einführungen. Da wird China eher drüber weggehen.“ Bis zum Jahr 2022 sollen Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen in den Regelbetrieb gebracht werden.
Teaserbild: KI wird genormt // Quelle: Tobias Nietgen