Schiff segelt auf dem Meer in Richtung Sonnenuntergang

Das Gift am Bug

Geht es um das Thema Gewässerschutz, kommt vielen erst einmal Verschmutzung durch Plastik oder Öl in den Sinn. Die üblichen Schutzanstriche von Schiffen und Sportbooten werden dabei oft außer Acht gelassen und das, obwohl sie eine erhebliche Rolle für die Qualität unserer Gewässer spielen. // Von Dennis Schüler

Jedes Jahr zum Saisonende im Oktober werden Sportboote aus dem Wasser in ihr Winterquartier an Land gehoben. Die Zeit auf dem Trockenen eignet sich perfekt für Reparaturen, Reinigung und andere Instandhaltungsarbeiten, die während der Sommersaison im Wasser nicht möglich sind. Dazu gehört auch die Erneuerung des Antifouling-Schutz. Der schützt den Teil des Rumpfs, der sich unter Wasser befindet (auch Unterwasserschiff genannt), vor unerwünschtem Bewuchs. Üblicherweise werden dabei Anstriche verwendet, die mit Bioziden versehen sind. Die setzen sich aufgrund ihrer Wirkweise im Wasser und im Sediment ab und werden zur Belastung für unsere Gewässer und die dort lebenden Tiere.

Alternativen in den Startlöchern

Es gibt jedoch eine Reihe vielversprechender Ansätze und Konzepte, die ohne umweltbelastende Substanzen auskommen. Das im Mai 2018 ins Leben gerufene Forschungsprojekt ARES (Air-Retaining Surfaces) ist eine davon. Das Kooperationsprojekt von Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Bonn sowie Rostock befasst sich mit den drei Hauptproblemen der Schifffahrt: Reibung, Korrosion und Bewuchs. Ziel ist es, eine neue Methode zu entwickeln, die genau diese Probleme verringert. Für die Forschungsarbeit wurde das Projekt im März 2019 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMFB) mit dem Validierungspreis 2019 ausgezeichnet.

Das Projekt ARES setzt anstatt auf Biozide auf die Hilfe des Schwimmfarns Salvinia molesta. Die Blätter des Wasserfarns sind auf der Oberfläche mit feinen schneebesenartigen Härchen besetzt. Die Basis der Haare ist dabei wasserabstoßend, ganz im Gegensatz zu den Spitzen, die das Wasser förmlich festhalten. So ist der Farn, wenn er unter Wasser taucht, in der Lage, sich in eine schützende Luftschicht einzuschließen.

Blätter des Schwimmfarns Salvinia molesta, die als Vorbild für das Projekt ARES dienen.

Salvinia molesta – Der Schwimmfarn, der als Vorbild für das Projekt ARES dient. // Quelle: Pixabay

Dem Forschungsteam ist es gelungen, dieses Prinzip auf den Rumpf des Schiffes zu übertragen, sodass eine Gleitschicht aus Luft den Rumpf permanent umschließt, sodass das Unterwasserschiff gar nicht erst mit dem Wasser in Kontakt kommt. Dadurch wird zum einen der Reibungswiderstand reduziert, was sich positiv auf den Energieverbrauch auswirkt und gleichzeitig verhindert, dass sich Bewuchs absetzen kann. Die Hightech-Oberfläche wird per Folien an den Schiffsrumpf angebracht.

Hightech-Oberfläche die den Salvinia-Effekt imitiert. Die eingeschlossene Luft glänzt Unterwasser silbern. // Quelle: Thomas Schimmel, KIT

Hightech-Oberfläche die den Salvinia-Effekt imitiert. Die eingeschlossene Luft glänzt Unterwasser silbern. // Quelle: Thomas Schimmel, KIT

Was ist Fouling?

Das Wort Fouling kommt aus dem Englischen und bedeutet grob übersetzt Bewuchs. Genauer versteht man darunter Wasserorganismen, die sich auf festen Unterwasseroberflächen festsetzen.

Beim Aufwuchs wird dabei zwischen Weich- und Hartfouling unterschieden. Grünalgen oder Weichkorallen sind beispielsweise Weichfouling. Bei kalkabscheidenden Organismen wie Seepocken oder Muscheln spricht man von Hartfouling.

Da sich diese Organismen nicht nur an Felsen oder Stegen festsetzen, sondern auch auf den Rümpfen von Booten, stellt dies Bootsbesitzer vor ein Problem. Der Aufwuchs beeinflusst nämlich erheblich den Strömungswiderstand bei der Fahrt. Das sorgt nicht nur für eine geringere Fahrgeschwindigkeit, sondern auch für einen bis zu 30 Prozent höheren Treibstoffverbrauch. Gefährlich wird es, wenn der Bewuchs so stark wird, dass er die Manövrierfähigkeit beeinflusst.

An einer weiteren Möglichkeit, die vor allem für Sportbootbesitzer interessant ist, arbeitet ein Team rund um Diplomingenieur Joachim Müller von der Firma itCoating. Deren Ziel es ist, eine Beschichtung zu entwickeln, die ohne Biozide sowohl in Binnengewässern als auch in den Meeren zuverlässig vor Bewuchs schützt und dazu einfach zu reinigen ist. Anders als die bionische Lösung von ARES macht sich das Team von Müller physikalische Eigenheiten zu nutzen, um den Bewuchs vom Rumpf fern zu halten.

Als Vorbild dient jedoch keine Pflanze, sondern ein spezieller Schutz gegen multiresistente Keime und Erreger (MRSA & MRE), der für die Medizin entwickelt wurde. Die Keime werden mittels stetiger Ladungsänderungen von der, mit dem Schutz behandelten, Oberfläche ferngehalten und neutralisiert.

Laut Müller liegt die Herausforderung darin, dieses Konzept möglichst wirksam auf die Antifouling-Methode zu übertragen und daraufhin einen Schutz zu entwickeln, der sowohl in Binnen- als auch Meeresgewässern funktioniert. Damit das funktioniert, wird eine Beschichtung benötigt, die den pflanzlichen Bewuchs verhindert, aber gleichzeitig auch verhindert, dass sich Hartfouling  festsetzt.

Schiffsrumpf besetzt mit Seepocken und Algen bei der Reinigung.

Schiffsrumpf besetzt mit Seepocken und Algen bei der Reinigung. // Quelle: Dennis Schüler

Um den pflanzlichen Bewuchs zu verhindern, setzt das Team auf eine Oberfläche, die extrem glatt ist. "Das erreichen wir durch eine besonders hohe Porendichtigkeit", erklärt Müller. Je geringer die Porenzahl auf einer Oberfläche ist, desto dichter und glatter ist sie letztendlich. Das macht es pflanzlichen Organismen schwer, überhaupt Halt zu finden.

"Das Weichfouling stellt das geringere Problem dar. Trickreicher ist es, eine effektive Methode gegen das Hartfouling zu entwickeln, die auch ohne Biozide auskommt." Hier setzt das Team von Müller auf das physikalische Verfahren, das bereits für Schutzbeschichtungen in der Medizin im Einsatz ist. Die stetigen Ladungsänderungen halten die tierischen Organismen davon ab,  sich festzusetzen.

Aufgetragen wird die Beschichtung per Pinsel. Das Ziel der Entwickler von itCoating ist neben der guten Wirkung auch eine einfache Handhabung.

Welche Antifouling-Systeme werden bisher genutzt?

Die verschiedenen Produkte können in Biozid-haltig und Biozid-frei unterteilen werden.

Biozid-haltige Produkte sind mit Wirkstoffen versehen, die für Wasserorganismen giftig sind. Die Wirkung erfolgt über eine kontinuierliche Abgabe der Biozide in das Wasser. Kritisch dabei ist, dass die austretenden Giftstoffe nicht nur die Ziel-Organismen treffen, sondern unkontrolliert ins Wasser gelangen. So kommen ungewollt auch andere Lebewesen und Pflanzen mit den Giftstoffen in Kontakt.

Grafik zur Veranschaulichung der Wirkweise von Biozid-haltigen Antifouling-Systemen.

Veranschaulichung der Wirkweise von Biozid-haltigen Antifouling-Systemen. //Quelle: Dennis Schüler, Fischgrafik Designed by Freepik

Gift für die Umwelt

Bis zum Verbot im Jahr 2003 enthielten Biozid-haltige Anti-Bewuchs-Beschichtungen oft hochgiftige Tributylzinn-Verbindungen (TBT). Das hat zwar zuverlässig Bewuchs verhindert, war aber schon bei geringen Dosierungen extrem giftig für Wasserlebewesen. Wegen der hohen Halbwertszeit von TBT lassen sich bis heute Rückstände in den Sedimenten und Gewässern nachweisen.

Mehr als 80 Prozent der aktuellen Biozid-haltigen Antifouling-Produkte nutzen Kupferverbindungen (Cu). Sie sind besonders wirksam gegen tierischen Bewuchs. Um dem pflanzlichen Bewuchs entgegenzuwirken, werden die Kupferverbindungen zusätzlich noch mit anderen "harmloseren" Bioziden und Zinkverbindungen (Zn) kombiniert.

Das ist zwar weitaus verträglicher für die Umwelt, dennoch nicht unbedenklich. Denn auch diese Methode stellt eine nicht unerhebliche Belastung für die Gewässer und die dort lebenden Organismen dar.

Statistik zu Materialexpositionen durch Antifouling in Gewässer (2012).

Statistik zu Materialexpositionen durch Antifouling in Gewässer (2012). // Quelle: Umweltbundesamt – Kupferhaltige Antifoulings

Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes (UBA) gelangen auf diesem Wege allein durch Sportboote jährlich etwa 70 Tonnen metallisches Kupfer in deutsche Binnengewässer.

Doch auch durch einige der momentan als umweltschonend ausgezeichneten Methoden gelangen Schadstoffe in das Wasser. Häufig handelt es sich dabei um Microplaste oder Silikone, die anstatt der Biozide oder Metalle zum Einsatz kommen. Insbesondere die Absonderungen der Silikone stellen ein Problem dar, da laut ihren Datenblättern die oft verwendenden D4- (Octamethylcyclotetrasiloxan) und D5-Verbindungen (Decamethylcyclopentasiloxan) Wasserorganismen unfruchtbar machen können.

Es gibt aber bereits Alternativen, die zumindest auf Biozide verzichten. Dazu zählen beispielsweise spezielle Hartbeschichtungen. Die lassen es zwar zu, dass sich Bewuchs festsetzen kann, die aber mit Hilfe von Unterwasserbürsten gereinigt werden können. Solch eine Methode bedeutet allerdings auch einen größeren Aufwand für den Bootsbesitzer. Andere Systeme erreichen durch Ihre besondere aufwuchs-abweisende Oberflächenbeschaffenheit, dass es Organismen nicht möglich ist, sich festzusetzen.

Antifouling ist Typsache

Wann welches Antifouling-System sinnvoll eingesetzt wird, ist stark vom Gewässertyp abhängig. In Binnengewässern tritt beispielsweise fast ausschließlich Weichfouling und wenig bis gar kein Hartfouling auf. Hier benötigt man im Prinzip kein Antifouling auf Biozidbasis.

In den Meeren sieht die Situation anders aus. Dort ist der Bewuchsdruck um einiges stärker, da zusätzlich zum pflanzlichen Bewuchs durch Algen auch kalkabscheidenden Organismen wie Muscheln oder Seepocken sich auf den Rumpf setzen.

Es geht auch ohne Gift

Skandinavien macht es vor: Schweden hat bereits im Jahr 2000 jeglichen Einsatz von Biozid-haltigen Antifouling-Systemen in Binnengewässern verboten. Das hat laut aktuellen Studien zu einem Rückgang der Gewässerbelastung durch Chemikalien und Schwermetalle geführt. In Deutschland gibt es solch ein Verbot bis jetzt lediglich in einer kleinen Region in Schleswig-Holstein. Die im Jahr 2000 in Kraft getreten Wakenitz-Verordnung verbietet auf den Ratzeburger Seen und der Wakenitz die Nutzung von Biozid-haltigen Antifouling-Maßnahmen. Laut dem UBA und dem Deutschen Motoryachtverband (DMYV) wird es absehbar zu einer bundesweiten Ausweitung dieses Verbots kommen.

Auf den Punkt

Rund 71 Prozent der 206.000 Sportboote, die unter deutscher Flagge fahren, also circa 146.260 Boote, sind in Binnengewässern unterwegs. Dort besteht lange nicht so ein starker Bewuchsdruck wie in Meeren.

Bootsbesitzer, die mit ihren Schiffen in beiden Gewässertypen oder ausschließlich in Meeresgewässern unterwegs sind, benötigen weiterhin Biozid-haltige Antifouling-Systeme, da es noch keine marktreifen umweltverträgliche Alternativen gibt.

Die zukünftige Herausforderung für Forschung und Hersteller besteht darin, Antibewuchsmaßnahmen zu entwickeln, die genau die erwünschte Wirkung ohne den Einsatz von Bioziden erzielen.

Teaserbild: Schiff segelt auf dem Meer in Richtung Sonnenuntergang, Quelle: Pixaby

Der Autor

Dennis Schüler

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