Flüssigkristalle sollen Gefahrstoffe anzeigen? An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg entwickeln Forscher einen neuen Sensor, der bei Kontakt mit gefährlichen Substanzen die Farbe ändert. Dies kann auch für das Einkaufen im Supermarkt oder für Feuerwehrmänner im Einsatz interessant sein. // Von Jennifer Reisloh und Julian Promies
Im Rahmen des Projekts "OptoSpin" haben sich Forscher der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg das Ziel gesetzt, eine neue Technik in der Sensorik zu entwickeln. Die Forscher versuchen, mit Flüssigkristallen gefährliche Substanzen mittels einer Farbänderung im Kristall sichtbar zu machen. Um das zu ermöglichen, geben sie eine ausgewählte Substanz, das so genannte Dotiermittel, dem Kristall hinzu. Dieser ändert dadurch seine Struktur und erscheint farbig. Kommt der Kristall daher in Berührung mit einem ausgewählten Gefahrstoff, ändert sich seine Struktur und auch gut sichtbar seine Farbe.
Vorteile der Flüssigkristalle
Für Lukas Pschyklenk, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt "OptoSpin", besteht der Vorteil dieses Sensors in der Stromunabhängigkeit. "Wir versprechen uns Gas-Sensoren, die unabhängig von der Stromversorgung sind", sagt Pschyklenk. Eine wesentliche Anforderung an die Flüssigkristalle ist die Selektivität. Darunter versteht man die Fähigkeit mehrere Stoffe voneinander trennen zu können.
Dies ist wichtig, um den Gefahrstoff, also ein Stoff, der mehrere Gefährlichkeitsmerkmale aufweist, hinterher einfacher auswerten zu können. "Man braucht eine gewisse Anzahl verschiedener konventioneller Sensoren, um die gefährliche Substanz auslesen zu können", erklärt Pschyklenk. Bei Flüssigkristallen sei die Auswahl des Dotiermittels entscheidend, so Pschyklenk. "Durch die Auswahl des Dotiermittels hat man eine echte chemische Reaktion zwischen Dotiermittel und der Substanz, die man analysieren will." Man solle ein Dotiermittel wählen, dessen spezielle Eigenschaften auf die analysierende Substanz ansprechen würde. Dadurch könne diese später besser ausgewertet werden. Allerdings sei es fast unmöglich, dass der Kristall nur mit einem Stoff reagiert, so Pschyklenk. Grund dafür sei die Tatsache, dass mehrere Substanzen auf die Eigenschaften des Dotiermittels ansprechen können. Da für die Herstellung eines Sensors nur ein geringer Teil des Flüssigkristalls benötigt werde, ließe er sich in großen Mengen herstellen. "Das macht ihn kostengünstiger im Vergleich zu anderen Sensoren", berichtet Pschyklenk.
Anwendung der Sensoren
Bei "OptoSpin" wird die Reaktion der Kristalle auf die drei Substanzen Amphetamin, TATP und Furfural untersucht.
Die Flüssigkristalle können der Polizei bei Schnelltests helfen, um Amphetamin bei Kontrollen festzustellen. Beim TATP, das bei Terroranschlägen als Sprengstoff zum Einsatz kommt, gibt es bisher noch keinen zuverlässigen Sensor. Ebenso nicht beim Furfural, das sich bei Bränden in der Luft befindet.
Auch an Kleidungsstücken können die Sensoren angebracht werden. "Wir stellen uns vor, dies beispielsweise in die Kleidung von Feuerwehrleuten zu implementieren. Die Farbe der Kleidung verändert sich dann sobald diese mit Gefahrstoffen in Berührung kommen." Während des Projekts wird mit den drei genannten Stoffen gearbeitet. In der Praxis sollen die Kristalle dann aber auch andere Stoffe nachweisen können. Beim Gang in den Supermarkt könnten die Flüssigkristalle helfen, in dem sie abgelaufene Produkte farbig kennzeichnen.
Finanziert wird das "OptoSpin“ von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Als Vorläufer arbeiteten die Forscher an einem CO2-Sensor, der nur auf CO2 in der Luft reagiert hat.
Wie ändern die Kristalle ihre Farbe und wo kann man sie anwenden?
Flüssigkristalle bei Bildschirmen
Die Flüssigkristalle finden bisher ausschließlich Anwendung bei Fernsehbildschirmen. Dabei sorgen sie für helle und scharfe Bilder. Für Robert Lange, Professor im Fachbereich Elektrotechnik-Maschinenbau-Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, sind optische Sensoren im Trend: "Optische Sensoren werden immer mehr Verwendung finden", ist sich Lange sicher. Fraglich sei jedoch die hohe Selektivität der Kristalle. "Ich glaube nicht, dass der Kristall hundertprozentig nur auf einen Gefahrstoff anspricht. Die gesteigerte Selektivität muss erst nachgewiesen werden", fordert Lange. Auch er sieht das Problem, dass das Dotiermittel mit mehreren Stoffen reagiert.
Momentan befindet sich die Forschung in der Testphase. Bis 2021 sollen die im letzten Jahr begonnenen Untersuchungen abgeschlossen sein. Ziel ist es am Ende des Vier-Jahres-Projekts Sensoren entwickelt zu haben, die bald auf viele verschiedene Substanzen reagieren.
Teaserbild: Ein Flüssigkristall eingebettet in Polymerfasern Foto: Lukas Pschyklenk