Phytomining: Die Idee klingt unglaublich: Forscher wollen Pflanzen nutzen, die giftige Schwermetalle in ihren Blättern speichern können, um damit übersäuerte Böden zu reinigen. Das Ganze klingt umweltfreundlich, aber eher nach Science Fiction. Doch wie funktioniert das genau und wie könnte die Zukunft mit diesem Verfahren aussehen? // Von Jana Kikillus und Moritz Kreiten
09.06.2017// Um stillgelegte Bergminen ist der Boden oft so stark mit Schwermetallen angereichert, dass er verseucht ist und das Gebiet mit Zäunen abgesperrt wird. Hier Land- oder Fortwirtschaft zu betreiben, ist geradezu unmöglich, teilweise sind ganze Landstriche kontaminiert. Den Boden wieder zu neutralisieren und fruchtbar zu machen, ist ein langwieriger und kostenintensiver Prozess. Für dieses Problem haben Forscher eine Lösung: Pflanzen, die Phytomining betreiben. Sie sehen aus wie lästiges Unkraut, aber sie sind zu wahren Wundern fähig. Das Phänomen Phytomining wurde vom britischen Forscher Alan Baker schon vor über 40 Jahren in England entdeckt. Seitdem ist aufgrund von Patentrechten nicht viel mit den Superpflanzen passiert. Doch jetzt nimmt das Ganze wieder Fahrt auf. Die Patentrechte sind ausgelaufen und es gibt ein erstes Pilotprojekt von französischen Forschern, die in Albanien in Zusammenarbeit mit einheimischen Bauern Nickel mit Pflanzen ernten.
Was ist Phytomining?
Phytomining ist die Idee, die Pflanze zum Bergmann zu machen. Ein Bergmann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, giftige Schwermetalle aus dem Boden zu filtern. Das Prinzip ist einfach: Pflanzen, die Phytomining betreiben, was übersetzt in etwa pflanzlicher Erzabbbau bedeutet, nehmen über ihre Wurzeln lebensnotwendige Stoffe wie Kalzium aus der Erde auf. Dabei ziehen sie gleichzeitig auch Schwermetalle wie Nickel, Kadmium und Zink aus dem Erdreich und speichern diese in ihren Blättern und Stängeln. Ein Prozess, der als Phytoremediation bezeichnet wird. Als eine Art Bio-Staubsauger reinigen sie so die vom Menschen verseuchten Böden. Oliver Wiche ist Geoökologe an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Gemeinsam mit seinen Kollegen betreibt er in Deutschland eines der größten Forschungsprojekte mit Pflanzen, die Phytomining betreiben. Im Projekt "PhytoGerm" wird erforscht, wie das Metall Germanium, das sich in den Pflanzen anreichert, gewonnen und weiterverarbeitet werden kann. "Wir wollen mit unserem Projekt herausfinden, in welchen Pflanzen sich Germanium am besten anreichert und wie wir die Pflanzen dazu bringen können, große Mengen davon in sich zu sammeln", so Oliver Wiche.
Aber die Pflanzen können nicht nur die Erde aussaugen. Durch ein besonderes Verfahren lässt sich aus den Pflanzen sogar wieder Metall herstellen. Eine spezielle Zucht der Superkraft-Pflanzen kann geerntet, getrocknet und verbrannt werden – in der Pflanzenasche befindet sich dann beispielswiese der Stoff Germanium, aus dem wieder Metall hergestellt werden kann. Germanium ist ein wertvolles Material, ohne das kein Smartphone, Computer oder Glasfaserkabel funktionieren würde. Die Pflanzen können als Minenarbeiter eingesetzt werden und den maschinellen Abbau an Bodenschätzen unterstützen.
So funktionieren die Superpflanzen
Wachstum trotz giftiger Schwermetalle
Die Superpflanzen sind kaum erforscht und gehören zur Gruppe der sogenannten Hyperakkumulatoren. Sie wachsen und blühen in stark verseuchten Böden, ohne dass es ihnen schadet. Sie haben sich sozusagen auf die Schwermetall-Entsorgung spezialisiert. Toll aussehen tun sie dabei nicht. Sie erinnern an vertrocknete Kräuter oder Unkraut. Aber warum ernähren sich diese Superpflanzen von giftigen Stoffen? Und wie ist es den Pflanzen möglich die Giftstoffe zu verarbeiten, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen? Die Antwort ist einfach: "Die Pflanzen verwechseln die giftigen Schwermetalle mit Nährstoffen", sagt Oliver Wiche. Ein bestimmtes Gen der Pflanzen, das Nicotianamin, ermöglicht es ihnen, die Stoffe aufzunehmen und in die Blätter zu transportieren. "Auf diese Verwechslungen bauen wir, denn nur so können wir die Stoffe gewinnen." Über ein aufwendiges Extrahierungsverfahren können die Blätter dann getrocknet und verbrannt werden.
Patentrechte bremsen Phytomining
Als Forscher vor rund 40 Jahren die Idee hatten, besondere Pflanzen als Schwermetall-Bergmänner zu verwenden, war das Thema Umweltschutz noch nicht von großer Bedeutung und die Versuche Forschungsgelder zu beantragen, scheiterten. Es interessierte sich einfach niemand für das Projekt. Mit Ausnahme der US-amerikanischen Investfirma Viridian in Texas. Sie erkannte die Geschäftsidee und unterstützte die Forscher mit Geldern – ließ sich die pflanzlichen Staubsauger allerdings auch patentieren. Genutzt hat die Firma ihr Patent aber nicht, die Forschungsergebnisse wurden nicht veröffentlicht. Im Juni 2015 sind die Patentrechte allerdings ausgelaufen, was die Technologie für viele Forscher und die Wirtschaft wieder interessant machen könnte.
Im Pilotprojekt in Albanien arbeiten französischen Forscher gemeinsam mit einheimischen Bauern daran, mit Hilfe von Phytomining Nickel abzubauen. Die Erde in Albanien enthält stellenweise bis zu hundertmal mehr Nickel und andere Schwermetalle als die Böden in anderen Ländern. Gelingt das Projekt, könnte so auch in anderen Ländern gegen Armut und Hunger vorgegangen werden. Denn wenn der Boden erst von Schwermetallen befreit ist, können hier auch wieder Lebensmittel angebaut werden.
Die Zukunft des Phytomining
Bisher haben große Firmen in Deutschland kaum Interesse daran gezeigt, die Forschung an Phytomining zu fördern. Denn in Deutschland gibt es nur wenige Gesetze, die den Verursacher von Umweltverschmutzungen dazu zwingen, diese auch wieder zu beheben. So entstand bisher auch kein Markt für die Entsorgung.
"Der Bedarf an weiterer Forschung zu Phytomining ist extrem wichtig und dringend, denn in Zukunft werden wir auf diese Technik angewiesen sein. Leider gibt es bisher nur wenige, zumeist unterfinanzierte Forschungsgruppen, die sich mit dem Thema befassen", erklärt Christian Rogon, Biotechnologe beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) hat bereits prognostiziert, dass sich die Preise für Rohstoffe in den nächsten Jahren stark anheben werden und vor allem Germanium extrem an Bedeutung gewinnen wird. Größere Akkus oder Wärmebildkameras, mit denen in Zukunft autonom fahrende Autos ausgestattet werden – ohne Germanium nicht realisierbar.