Ein letzter Aha-Moment für den Künstler, ein präzises Handwerk und zugleich eine Selbstverständlichkeit für den Konsumenten: das Mastering. Im Tonstudio zeigt ein Profi, was mit der Musik dabei passiert. //Von Sebastian Lesch
Ein weiß gestrichener Raum mit Stäbchenparkett, schmalen Fenstern und einem Sofa am hinteren Ende. Vorne ein Arbeitsplatz voller Technik, der einer Schaltzentrale gleicht. Das alles versinkt im Rausch der Klänge, dann herrscht Stille. Kai Blankenberg setzt den ersten fertig gemasterten Song auf Anfang. "Hör es dir mal an", sagt er und spielt den Titel ab. Der Klang geht unter die Haut. Tief gestaffelt, mit glasklaren Höhen, sattem Bass-Fundament und breiter Stereobühne.
Mastering-Studio in Düsseldorf
Blankenberg ist Ton-Ingenieur und Inhaber des Mastering-Studios Skyline Tonfabrik in Düsseldorf. Audio-Mastering ist die Endbearbeitung in der Musikproduktion und somit das Bindeglied zwischen der Abmischung und der Anlieferung an Presswerk und Digital-Vertriebe. Der Prozess beinhaltet technische Optimierungen, die finale geschmackliche Feinpolitur des Klangs und die Aneinanderreihung der Titel. Dabei unterliegen die Anforderungen dem Wandel der Zeit, insbesondere den jüngsten Entwicklungen im Streaming-Geschäft.
Mastering heute: Nicht nur für die Pressung
Die Anfänge des Masterings reichen bis in die Vierzigerjahre zurück. Ende des Jahrzehnts erhielt das magnetische Tonband Einzug in die Musikproduktion. Ton-Ingenieure nahmen fortan auf Mehrspur-Bandmaschinen auf. Danach überspielten sie die Summe der Spuren auf ein Stereoband, das sogenannte Master. Damals war dies ein rein technischer Überspielungs-Prozess. Zum Schluss ging das Master zur Schallplatten-Vervielfältigung an das Presswerk.
Heute begleiten Download- und Streaming-Dienste die physischen Medien wie die CD oder die Vinyl-Schallplatte. Dabei haben Streaming-Angebote derzeit Hochkonjunktur: GfK-Studien zufolge spielten Musik-Konsumenten im Jahr 2017 insgesamt 56,4 Milliarden Streams ab. Das ist ein Zuwachs von 20 Milliarden Einheiten im Vergleich zum Vorjahr. Auch das Mastering hat sich seit seinen Anfängen verändert. Heute optimieren Mastering-Ton-Ingenieure Musikproduktionen für diverse Medien und kitzeln dabei ein letztes Stück Klangqualität heraus.
Hörbeispiel: Ein Song vor und nach dem Mastering
Der nächste Song ist an der Reihe
Blankenberg ruft den zweiten Titel in der Audio-Software auf und beginnt zu mastern. Kurze Einschnitte unterbrechen die Musik und Schnipsel aus anderen Musikstücken erklingen. Der Ton-Ingenieur schaltet regelmäßig zwischen dem Master und einer Reihe anderer Titel um. Das Material ist bunt gemischt: Der erste gemasterte Song, ein Titel aus demselben Genre, ein bekannter Track aus den Charts.
Warum mastern, wenn schon gemischt wurde?
Blankenberg beschreibt den Mischungs-Prozess einzelner Songs als eine Art Insel, auf der ein Ton-Ingenieur einen Titel für sich allein betrachte. Die Mischung dient dazu, alle aufgenommenen Spuren wie Instrumente, Gesang und Effekte einzeln zu bearbeiten und so in Einklang zu bringen. Daraufhin verlässt das Mastering die oben beschriebene Insel.
Technisches Ziel des Masterings ist Kompatibilität. Blankenberg betrachtet die einzelne Mischung im Kontext eines Albums und musikalisch passender Referenz-Lieder. Dabei spielen unter anderem die Klangästhetik und Lautstärke für die Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle.
Wo wird die Musik gehört?
Nicht zuletzt behält Blankenberg bei jeder Produktion den Bestimmungsort vor Augen. Zur Erklärung bedient er sich dem Beispiel einer Folk-Ballade, die zu Hause beim Frühstück gehört wird und einem Techno-Track, der im Club laufen soll. Beide müssen an ihrem Zielort und über die entsprechenden Abspielgeräte, in dem Fall das Küchenradio oder die PA-Anlage, bestmöglich funktionieren.
Dennoch sollen fertige Produktionen auf allen Abspielgeräten klanglich Sinn ergeben. Alex Kloss ist ebenfalls erfahrener Mastering-Engineer mit eigenem Studio im Maarweg zu Köln und fasst es mit folgenden Worten zusammen: "Es kann sich nicht überall gleich anhören. Jede Lautsprecherbox und jeder Kopfhörer klingt verschieden. Aber es soll sich möglichst überall gleich gut anhören."
Der Klang beginnt zu atmen
Zunehmend greift Blankenberg zu den technischen Geräten, die in seiner Arbeitsplatte eingelassen sind. Seine Handgriffe verleihen dem Gesang Definition. Schlüsselelemente der Musik ragen nach vorne, der Klang gewinnt an Tiefe und Breite.
Wie künstlerisch versteht sich das Mastering?
Kreative und technische Arbeit greifen beim Mastering oft nahtlos ineinander. Ton-Ingenieur Alex Kloss beschreibt die Arbeit wie folgt: "Obwohl sich der Prozess technisch anhört, ist der Weg dahin schon kreativ. Du musst die Musik gewissermaßen formen, um die technischen Ziele möglichst schön zu erreichen."
Blankenberg setzt einen vergleichbaren Gedanken fort: "Die meisten Handgriffe, seien sie analytisch oder kreativ begründet, geschehen aus dem Hören heraus. Da können augenscheinlich falsche Sachen ja auch richtig werden, in dem man es einfach dann vielleicht sogar übertreibt und ein einzigartiges Statement raussucht – sonst hätte es ja auch nie die verzerrte Gitarre gegeben. Es gibt bei wenigen Mastern ein technisches Falsch."
Gallerie: Klangbearbeitung zum Anfassen
Analytische Klang-Anpassungen nimmt Blankenberg meist am Computer vor. Für "musikalische und schmatzige" Handgriffe bevorzugt der Ton-Ingenieur analoge Geräte. Diese sind in den Arbeitsplatz integriert und werden mittels Digital/Analog-Wandlung in die Audio-Software eingebunden.
Wandel der Musikproduktion
Das Mastering ermöglicht Rückschlüsse für die Produktion jeglicher Audio-Inhalte, wie auch die Aufnahmen im Home-Studio. So ist jeder Reparatur-Eingriff bei der Endbearbeitung einer Summenspur letztendlich ein Kompromiss. Sind die Probleme bekannt, die beim Mastering auftreten können, so lassen sie sich im Vorfeld gezielter vermeiden – "im besten Fall schon vor dem Mikrofon", resümiert Blankenberg.
Der Eifeler Rundfunk- und Fernsehtechniker Ulrich Apel arbeitet überregional als selbständiger Ton-Ingenieur und greift auf langjährige Erfahrung in der Einstellung früherer Bandmaschinen zurück. "Damals war die Kunst tatsächlich, dass die Künstler sich schon beim Aufnehmen zusammengerissen haben. Ton-Ingenieure konnten die Musik nur sehr bedingt nachbearbeiten", erklärt er. Heute seien in der Mischung und beim Mastering viele Schnitt- und Klang-Korrekturen möglich.
Wer benötigt Mastering?
Kommerziell erfolgreiche Veröffentlichungen, die jedoch ungemastert sind, stechen heraus. So trägt das im Jahr 2016 veröffentlichte Kompilations-Album des US-Künstlers Kendrick Lamar den Namen "untitled unmastered." Der Name lässt vermuten, dass auf Mastering verzichtet wurde und unterstreicht somit den rohen Charakter der Veröffentlichung. Sie besteht vollständig aus unbenannten Demo-Aufnahmen.
Eine gute Mischung erfordert allerdings nicht zwingend aufwendige Mastering-Maßnahmen. Mastering-Legende Bob Katz beschreibt in seinem Werk "Mastering Audio" einen Idealfall: "Sometimes all we may do is – nothing! The simple act of approval means the mix is ready for pressing." Die professionelle Beurteilung und Freigabe von einem Außenstehenden ist demnach der Schlüssel des Masterings.
Die fertige Produktion
Mittlerweile ist es Nachmittag im Düsseldorfer Tonstudio. Alle Titel gehen nun nahtlos ineinander über. Auch Klang-Balance und Lautstärke sind von Song zu Song konsistent. Die fertigen Dateien lädt Blankenberg im Cloud-Speicher hoch – bereit zur Veröffentlichung auf unterschiedlichen Medien.
Zentrale Aspekte des Masterings
Kompatibilität und Wettbewerb
Eine fertige Produktion soll über verschiedene Medien und Abspielgeräte hinweg schlüssig klingen und zugleich an ihrem Bestimmungsort bestmöglich zur Geltung kommen.
Zudem soll das musikalische Endprodukt wettbewerbsfähig sein. Ton-Ingenieur Roger Nichols, posthum im Jahr 2012 mit dem Technical Grammy Award ausgezeichnet, sprach seiner Zeit von einer Referenz zu anderen Projekten und anderen Ingenieuren, die an großartig klingenden CDs gearbeitet hatten. Das beinhaltet neben der Klangästhetik auch die Lautstärke.
Anforderungen der Zielmedien
Für physische Tonträger und digitale Streaming- oder Verkaufs-Plattformen gelten unterschiedliche Anforderungen. Um beispielsweise das "Mastered for iTunes"-Label zu erhalten, müssen Master bestimmte Auflösungs- und Spitzenpegel-Vorgaben erfüllen. Für die Vinyl-Pressung sind Phasenprobleme im Bass oder extrem hohe und schnelle Impulse zu vermeiden.
Link-Tipp: Auf dem Vimeo-Kanal des Instituts für Musik und Medien in Düsseldorf steht ein Vortrag von Kai Blankenberg mit tiefen Einblicken in die Prozesse des Masterings bereit.
Titelbild: Pixabay
Das ist es eben, was viele unterschätzen. Es muss ÜBERALL gleich gut klingen. Ob im Auto, über In Ear Kopfhörer oder die große Anlage zu Hause aber eben auch über größere Beschallungssysteme für Veranstaltungen.
Schöner Beitrag und LG!