Herzfrequenzmessungen bei Smartwatches als Lebensretter

Smartwatches als Lebensretter am Handgelenk

Smartwatches überprüfen verschiedenste Biowerte des Körpers. In Zukunft soll das smarte Wearable unter anderem Blutzucker, Blutalkoholwert und Blutdruck messen. Allerdings werfen mangelnder Datenschutz, Messunsicherheiten und ein zu großes Vertrauen in Smartwatches als Lebensretter Bedenken auf. // von Nicolas Albrecht und Eva Umschlag

Eine Smartwatch ist eine digitale Armbanduhr, die Informationen aller Art vermittelt. Sie kann ähnlich wie ein Smartphone bedient und mit diesem verbunden werden. Das Wearable hilft einen gesunden Lebensstil aufrecht zu erhalten und rettet in Notsituationen sogar Leben. Smartwatches verfügen über Sensoren, Aktuatoren sowie Computerfunktionalitäten und -konnektivitäten. Damit gehört die smarte Uhr zum Internet der Dinge mit ihrer Mensch-Maschine- und Maschine-Maschine-Interaktion. Allerdings besitzt nicht jede Smartwatch alle zurzeit verfügbaren Funktionen​​​​​​. Bevor sie jedoch vollständig in die medizinische Überwachung des Menschen integriert werden kann, müssen noch einige Hürden überwunden werden.

Klinik am Handgelenk

Das führende globale Unternehmen für Silicon-Photonics-Technologie enthüllte am 14. Juli das digitale Gesundheits-Tracking-System Clinic on the Wrist. Ein biometrisches Gesundheitssensorsystem mit dem Smartwatches mehrere Biowerte nicht-invasiv überwachen können. Es erfasst die Körperkerntemperatur, Blutdruck, Körperaustrocknung, Alkohol-, Laktat- und Glukoseanteile zusammen mit weiteren Daten des Körpers. Der verwendete optische Sensor funktioniert ähnlich wie der bereits in vielen Smartwatches verbaute Blutsauerstoffsensor. In den nächsten Monaten werden Studien an menschlichen Probanden durchgeführt, um die Funktionsweise des Sensors zu belegen. Wenn die Studien positive Resultate erzielen, wird das Sensormodul für Smartwatches zur Verfügung stehen.

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Die Technik hinter der Smartwatch als Lebensretter // Quelle: Apple // Bild: Eva Umschlag

Automatischer Notruf

Automatischer Notruf bei Smatwatches als Lebensretter

Smartwatch: Notruf-Funktion // Quelle: Eva Umschlag

Es gibt verschiedene Gesundheitsfunktionen, die heute bereits Smartwatches als Lebensretter auszeichnen. Die gängigste dieser Funktionen ist die Notruf-Funktion, bei der der Träger die Starttaste der Uhr gedrückt hält und entweder auf den SOS-Button drückt oder diesen zur Seite wischt. Das besondere an der Funktion ist, dass je nach Modell kein Smartphone in der näheren Umgebung sein muss, um einen Notruf zu tätigen. Ein Notruf wird dadurch jedoch so leicht ausgelöst, dass es immer häufiger zu versehentlich abgesetzten Notsignalen kommt.

Automatische Sturzerkennung

Sturzerkennung bei Smatwatches als Lebensretter

Smartwatch: Sturzerkennungs-Funktion // Quelle: Eva Umschlag

Besonders bekannt bei Smartwatches aus dem alltäglichen Gebrauch, wie beispielsweise der Seniorenpflege, ist die Sturzfunktion. Bei dieser erkennt ein Beschleunigungssensor in der Uhr, dass die Person einen schwerwiegenden Unfall hatte und ruft den Notruf an. Falls sich der Nutzer nach einer bestimmten Zeit durchs Antippen des Displays meldet, wird der Notruf abgebrochen. Manche Modelle verschicken hierbei zuerst eine Sicherheitsnachricht an die Notfallkontakte des Nutzers. Generell ist sie für Senioren entscheidend, wenn sich diese bei Stürzen im Alltag verletzen und ohne Hilfe nicht mehr aufstehen können. Die Funktion in Zusammenhang mit dem GPS eines Smartphones kann für einen Jogger oder Kletterer Smartwatches als Lebensretter darstellen.

Herzfrequenz überprüfen

Herzfrequenzüberprüfung bei Smatwatches als Lebensretter

Smartwatch: Herzfrequenzüberprüfung // Quelle: Eva Umschlag

Die Herzfrequenzmessung ist für eine Smartwatch zur Norm geworden. Einige Marken nutzen dafür eine optische Herzfrequenz-Messung. Hierbei wird Licht in verschiedenen Wellenlängen, vorzugsweise Grün oder Rot, ausgestrahlt. Fotodioden analysieren die Intensität des von der Haut zurück reflektierten Lichts. Je stärker der Blutfluss in den Arterien und Venen ist, desto weniger Licht wird reflektiert. Andere Marken nutzen im Gegensatz dazu kleine Mikrofone, um den Puls abzuhören. Selbst unter idealen Bedingungen kann es allerdings dazu kommen, dass die Smartwatch die Herzfrequenz nicht jedes Mal korrekt messen kann.

EKG erstellen

Erstellung eines EKGs bei Smatwatches als Lebensretter

Smartwatch: EKG-Aufzeichnung // Quelle: Eva Umschlag

Einige wenige Smartwatches können ein Einfaches Ein-Kanal-Elektrokardiogramm erstellen. Hierbei muss die Uhr am Handgelenk aufliegen und ein Finger der anderen Hand das Gehäuse oder eine bestimmte Taste berühren. Ein solches EKG erkennt Herzrhythmusstörungen mit einer 95-prozentigen Übereinstimmung zu dem klinisch dokumentierten Vorhofflimmern. Die Smartwatch eignet sich jedoch nicht dazu, Durchblutungsstörungen des Herzens zu erfassen. Dafür ist die verwendete EKG-Funktion zu einfach. Aber sie kann mit den gesammelten Daten für den betreuenden Arzt bei der Diagnose-Stellung hilfreich sein.

Blutsauerstoffsättigung messen

Messung der Blusauerstoffsättigung bei Smatwatches als Lebensretter

Smartwatch: Blutsauerstoffmessung // Quelle: Eva Umschlag

Die neueste Funktion einiger Marken ist die Messung der Blutsauerstoffsättigung. Während der Messung soll der Nutzer ruhig sitzen bleiben. Es wird rotes und infrarotes Licht ausgestrahlt, woraufhin Fotodioden den Grad der Absorption aufnehmen und mit einer Referenztabelle vergleichen, um ein Ergebnis zu erstellen. Sauerstoffreiches Blut nimmt viel rotes Licht auf, während sauerstoffarmes Blut vor allem Licht im infraroten Bereich aufnimmt. Bei einem gesunden Menschen beträgt die Sauerstoffsättigung des Bluts 95 bis 98 Prozent. Vor allem für schnarchende Menschen mit möglichen Atemaussetzern und folgender Schlafapnoe ist diese Funktion von Smartwatches als Lebensretter essentiell.

Fehlinterpretationen der medizinischen Daten

Bei einigen Gesundheitsfunktionen ist es unumgänglich, dass die Daten mit einem Arzt besprochen werden. Die wenigsten Träger einer Smartwatch können eine medizinische Ausbildung vorweisen, um EKG-Ergebnisse oder ähnliche Daten korrekt zu interpretieren und daraus Rückschlüsse zu ziehen. Die Verwendung von Suchmaschinen gibt meist nur düstere Szenarien wieder. Die Ergebnisse sollten daher immer mit einem Arzt besprochen werden, damit wenn nötig weitere Schritte eingeleitet werden können.

Messunsicherheiten

Außerdem sind Messunsicherheiten bei Smartwatches ein großer Kritikpunkt. Bei der komplex verbauten Technik kann es zu einer Fehlinterpretation der Daten kommen. Zum Beispiel kann die genutzte Referenztabelle nicht passend für den Träger der Smartwatch sein. Es kann aber auch sein, dass die Fotodiode beschädigt ist. Laut Doktor Holger Hein, Facharzt für Innere Medizin, ist die Verteilung der Schlafstadien durch die Smartwatch eher willkürlich. Das liege daran, dass für verschiedene Altersklassen andere Voraussetzungen gelten. Weiter sagt Hein, “insbesondere die Herzfrequenzvariabilität ändert sich im Lebenslauf erheblich und wird geringer. Dieser Wert wirft oft als Surrogat Marker zur Schlafstadienbestimmung herangezogen. Mit steigendem Alter wird er aber sehr unzuverlässig und schon in jungen Jahren sind die Abweichungen erheblich.“ Trotzdem meint Doktor Hein, dass Schlafdauer und Schlafeffizienz sehr gut übereinstimmen, da die Daten auf Bewegungsmessungen von Beschleunigungssensoren basieren.

Zu großes Vertrauen in Smartwatches als Lebensretter

Eine weitere Frage ist, wie weit man als Mensch auf den eigenen Körper vertraut, wenn ein kleines Gerät am Arm alle Körperdaten in einer kompakten, leicht verständlichen Form darstellen kann. Die Herzfrequenzmessung teilt zum Beispiel mit, dass alles im normalen Bereich ist, aber das Herz rast trotzdem. Es kann dazu kommen, dass die Diagnosen des technischen Geräts über die Beurteilung des menschlichen Verstands gestellt werden. Bei der Smartwatch handelt es sich nicht um ein medizinisches Instrument, sondern um ein Kommunikationsgerät, das mit gesundheitsüberwachenden Funktionen ausgestattet ist.

Vergleich ausgewählter Smartwatchmodelle mit ihren Gesundheitsfunktionen // Quelle: Eva Umschlag

Vergleich ausgewählter Smartwatchmodelle mit ihren Gesundheitsfunktionen // Quelle: Eva Umschlag

Mangelnder Datenschutz

Der nicht ausreichend geklärte Datenschutz ist ein weiterer großer Kritikpunkt an Smartwatches. Viele der Geräte speichern die medizinischen Daten eines EKGs oder einer Blutsauerstoffmessung. Diese Speicherungen können dazu führen, dass Dritte ohne Erlaubnis auf die Gesundheitsdaten zugreifen. Das führt wiederum dazu, dass bei einigen Marken Apps und Funktionen in bestimmten Ländern nicht verfügbar sind. Grund dafür sind die unterschiedlichen Datenschutzrichtlinien, die vor allem in Deutschland streng sind.

Smartwatches in der Medizininformatik-Initiative

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Medizininformatik-Initiative, ein deutschlandweites Förderprojekt, mit dem Ziel, Patientendaten bundesweit zu vernetzten. Laut Doktor Jaane Rauschenberg, Referentin über eHealth beim BMBF, arbeitet das Konsortium HiGHmed als Teil der Initiative an der Use Case Kardiologie. Sie integrieren Daten von tragbaren, implantierten oder vernetzten Geräten in die IT-Architektur von Datenzentren. Smartwatches liefern Datensätze aus Langzeitüberwachungen und -messungen. Dadurch generieren sie spezifische und umfassende Datensätze. „Risikopatienten werden so frühzeitiger erkannt und Krankenhausaufenthalte sowie die Sterbewahrscheinlichkeit werden verringert,“ sagt Rauschenberg. Auch im Digitalen FortschrittsHub DECIDE profitieren Patienten von Wearables und ihren Sensoren, die therapierelevante Gesundheitsdaten aufzeichnen. Eine elektronischen Akte speichert die Daten, sodass die Mediziner ihre Therapiepläne besser auf jede einzelne Person zuschneiden können. Das Datenintegrationszentrum der Universitätsmedizin Mainz anonymisiert die Patientendaten. Die Gesundheitsforschung kann sie danach nutzen. „Neue mobile diagnostische Geräte, unter anderem Smartwatches, werden die derzeitige medizinische Praxis und Forschung erheblich beeinflussen“ meint Rauschenberg.

Teaserbild: Herzfrequenzmessung erkennt Vorhofflimmern zu 95 Prozent // Quelle: Eva Umschlag

Die Autor:innen

Autor Nicolas Albrecht

Nicolas Albrecht

Autorin Eva Umschlag

Eva Umschlag

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