Kann Künstliche Intelligenz dabei helfen, Kunststoffe effizienter zu recyceln? Daran forschen Unternehmen tagtäglich, auch in Deutschland. Mithilfe von KI sollen die Maschinen in Recyclinganlagen miteinander sprechen. Das Ziel: effizienteres, präziseres und nachhaltigeres Recycling von Kunststoffverpackungen. //Von Joanna Chatzichristidou und Jorin Schulze
Ob Plastikinseln in den Ozeanen oder überquellende Deponien, der Umgang mit Kunststoffen ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Denn laut dem Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung werden weltweit jährlich etwa 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Anhand von über 140 Projekten wird weltweit daran geforscht, wie Verpackungen ressourcenschonend wiederverwertet werden können. Doch wie weit ist Deutschland in dieser Hinsicht?
K3I-Cycling: So weit ist Deutschland
In Deutschland zeigt das Projekt K3I-Cycling, was heute mit digitaler Technik möglich ist. K3I-Cycling steht für KI gestützte Kreislaufoptimierung. Herzstück des Projekts ist der sogenannte Artificial Neural Twin (ANT). Hierbei geht es um ein KI-gestütztes System, das wie ein neuronales Netz funktioniert. Künstliche Intelligenz (KI) greift dabei auf Informationen aus Datenbanken zurück. Es imitiert menschliche Kommunikation, lernt und antwortet in Echtzeit.
Auf dem Förderband analysieren verschiedene Sensoren jedes Objekt. KI-gestützte Algorithmen werten die Daten aus und steuern Klappen, Luftstöße oder Roboterarme für die exakte Trennung der Materialien. Der ANT koordiniert alle Einzelschritte im Netzwerk. Er erfasst Daten entlang der gesamten Recyclingkette, analysiert diese in Echtzeit und gibt Optimierungsvorschläge für ein effizienteres Zusammenspiel der Einzelteile. So kann laut Johannes Emmert, Datenwissenschaftler im Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen (IIS), ein lernfähiges System entstehen. Dieses vollzieht Materialströme nicht nur nach, sondern verbessert diese aktiv.
Vom Sortierband zur digitalen Kreislaufwirtschaft
Bisher werden für das Recycling von Kunststoffverpackungen Materialien gesammelt, sortiert und in neuen Produkten wiederverwertet. Einige Kunststoffverpackungen können nicht stofflich verwertet werden und werden daher energetisch verwertet, also verbrannt. Mit K3I-Cycling soll dieser Prozess nicht nur automatisiert, sondern auch intelligenter gestaltet werden. Durch multimodale Sensorik erkennt das System Kunststofftypen, Verunreinigungen oder Störstoffe. Die Informationen werden mithilfe einer KI zwischen den Maschinen ausgetauscht. Dadurch entsteht eine Art digitales Gedächtnis der Recyclinganlage – eine sich stetig entwickelnde Verbesserung, die mit jeder Verpackung klüger wird.
Technologie hinter K3I-Cycling: Lernen, Sortieren, Vernetzen
Das Besondere: Der ANT erkennt anhand großer Datenmengen selbstständig Muster und lernt daraus. So kann der ANT Sortierfehler identifizieren und seine Entscheidungen mit jeder neuen Erfahrung verbessern. Gleichzeitig können die gesammelten Daten über eine standardisierte KI-Schnittstelle an andere Anlagen übermittelt werden – auch herstellerübergreifend. Damit ermöglicht K3I-Cycling die Optimierung einzelner Recyclingprozesse.
Die gesamte Anlage wird so auch transparenter. Prozessverläufe können digital nachverfolgt und Rückschlüsse auf Störungen oder Verbesserungspotenziale gezogen werden.
- Hier beginnt der Sortierprozess in der derzeitigen Erprobung des ANT. Digital durchlaufen Verpackungen eine rotierende Trommel, die das Material auflockert und zur ersten Sichtung vorbereitet. Die integrierte Sensorik erkennt Form, Material und Gewicht bereits im Durchlauf.
- Auf dem Förderband analysieren verschiedene Sensoren jedes Teilstück. KI-gestützte Algorithmen werten die Daten aus und steuern Klappen oder Luftstöße für die exakte Trennung der Materialien. Der Artificial Neural Twin koordiniert alle Einzelschritte im Netzwerk.
- Das Herzstück von K3I-Cycling: Ein digitales Netzwerk aus Maschinen. Jede Anlage lernt aus Echtzeitdaten und teilt ihr Wissen.
Sortieren für die Zukunft
Aktuell wird ein Prototyp bereits bei Lobbe RSW GmbH in einer realen Sortieranlage getestet. Materialflüsse sollen schneller erkannt und präziser sortiert werden. Langfristig soll das die Qualität des Rezyklats verbessern. Doktorin Ulrike Lange, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH, hält die Qualität des Rezyklats für den mitunter wichtigsten Faktor in der Kreislaufwirtschaft. Seit Juni 2024 testet die Lobbe RSW GmbH das KI-System ANT im Echtbetrieb. Das K3I-Cycling-Projekt läuft offiziell noch bis Ende August 2025 – die Ergebnisse werden anschließend veröffentlicht.
Günstiges Neuplastik statt Rezyklat – ein Systemproblem
Nur etwa ein Drittel des anfallenden Plastikmülls wird recycelt. Die zwei Hauptgründe dafür sind laut Ulrike Lange die mangelhafte Qualität von Rezyklat und die günstigen Preise von Neukunststoff. Aufgrund dieser lohnt es sich aktuell mehr, neuen Kunststoff zu kaufen, anstatt alten Müll wiederzuverwenden. Genau hier möchte K3I-Cycling ansetzen. Es werden deutlich mehr Sensoren eingesetzt als bei sonstigen Sortieranlagen um Rezyklate mit einer höheren Reinheit in höheren Mengen mit geringeren Kosten zu erzielen.
KI-Initiative zur Kreislaufwirtschaft
Getragen wird das Projekt von insgesamt 51 Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Unter anderem arbeiten auch das Fraunhofer IIS und der Lehrstuhl für Rechtsinformatik der Universität des Saarlandes daran mit. Gefördert wird K3I-Cycling vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der KI-Initiative zur Kreislaufwirtschaft. Seit dem Projektstart im September 2022 fließen rund 13,8 Millionen Euro in die Entwicklung. Bis August 2025 soll das Projekt abgeschlossen werden.
Ein digitales Netzwerk für den Planeten?
Die Vision der Projektpartner geht über nationale Grenzen hinaus. Mit dem Artificial Neural Twin soll ein übertragbares System entstehen, das weltweit Anwendung findet und das Recycling auf ein neues Level hebt. Laut Emmert ist das Herzstück des ANT die Schnittstelle, die es ermöglicht, verschiedene Maschinen miteinander zu verbinden und so den Weg für eine breitere Anwendung in verschiedenen Industrien zu ebnen. Von der Abfallwirtschaft bis hin zu anderen Bereichen, wie der chemischen Industrie oder dem Bergbau.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.thinglink.com zu laden.
Thinglink: Weltweit gibt es mehr als 100 verschiedene Recycling-Projekte, der K3I-Ansatz ist einer von vielen.
Die Autoren

Joanna Chatzchristidou

Jorin Schulze