Das Rathaus in Freiburg wurde Ende vergangenen Jahres mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Das Gebäudes erzeugt mehr Energie durch regenerative Quellen als es benötigt. Wie funktioniert das und gibt es vergleichbare Projekte?//Von Vivien Hemmersbach
Das öffentliche Netto-Plusenergiegebäude steht seit November 2017 in Freiburg und erhielt am 07. Dezember 2018 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis.
Erneuerbare Energien und innovative Architektur ermöglichten ein Gebäude zu erbauen, das in einem Jahr mehr Strom durch erneuerbare Energien produziert, als es benötigt und somit zusätzliche Energie in den städtischen Stromkreis mit einfließen lassen kann.
Hintergrund des Projekts
Freiburg im Breisgau hat sich das Ziel gesetzt bis 2030 im gesamten Stadtgebiet bis zu 40 Tonnen CO2-Emissionen einzusparen. Dafür schrieb die Stadt 2013 einen Architektenwettbewerb aus, bei dem der Neubau des Freiburger Rathauses im Fokus stand.
Das Architektenbüro Ingenhoven aritects gewann mit seinen Entwürfen für ein Verwaltungsgebäude und einer dazugehörigen Kindertagesstätte. Die Entwürfe sahen ein öffentlich zugängliches Netto-Plusenergiegebäude vor. Das von 2014 bis 2017 errichtete sechsstöckige Verwaltungsgebäude umfasst, zusammen mit der anliegenden Kindertagesstätte, eine Fläche von rund 26.115 Quadratmetern. Es wurde nach dem Passivhausstandard geplant.
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Der Passivhausstandard ist ein Gebäudestandard, der Energieeffizienz, Komfortabilität sowohl mit Wirtschaftlichkeit als auch Umweltfreundlichkeit durch strenge Kriterien verbindet.
Passivhäuser verbrauchen 75 Prozent weniger Heizwärme als durchschnittliche Neubauten. Dabei wird die gegebene Wärme im Inneren eines Gebäudes, wie die Körperwärme der Benutzer oder die einfallende Sonneneinstrahlung, genutzt.
Daher liegt der primäre Energiebedarf des neuen Rathauses bei 55 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Zum Vergleich verbrauchen moderne Bürogebäude 40 Prozent mehr. Durch das Einsetzten bekannter und simpler technischer Verfahren, wie der Geothermie und Solarenergie, wird Strom auf verschiedensten Arten generiert: Angefangen bei den Solarpanels, die das gesamte Gebäude einmal umschließen, bis hin zu thermischen Wärmepumpen. Die vertikal angeordneten Photovoltaik-Zellen an der Fassade werden nach der Position der Sonne ausgerichtet und reduzieren im selben Moment die Wärmeentwicklung im Innenraum. Durch die gegebene Erdwärme werden Kühl- und Heizsysteme mit Energie versorgt. Heizwärme wird durch Wärmerückgewinnungsprozesse wiederverwertet. Mittels des Grundwassers erfolgt eine passive Kühlung des Rathauses. Im Winter übernimmt eine Grundwasserwärmepumpe die Arbeit für Heizwärme.
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Grundwasserwärmepumpen nutzen die natürliche Wärme des Grundwassers. Dieses beträgt meist zwischen sieben und zwölf Grad. Das Wasser wird über einen Saugbrunnen nach oben gepumpt. Von dort aus wird es entweder direkt genutzt oder auf 40 bis 60 Grad erwärmt. Diese Wärme kann von dem Heizsystem eines Gebäudes genutzt werden. Das Grundwasser, dem die Energie bzw. Wärme entzogen wurde, wird durch den Boden wieder zurückgeleitet. Bei diesem Verfahren wird das genutzte Wasser nicht verunreinigt und wird dem natürlichen Wasserkreislauf wieder hinzugefügt.
Auf dem Dach des Gebäudes befinden sich Solarthermieanlagen, die Regenwasser erwärmen und so an die Küche weiterleiten können. Dank einer umfassenden Dämmung der Fassade hat das Freiburger Rathaus einen niedrigen Energieverlust, das gilt für den Winter als auch im Sommer. LED-Beleuchtung, die mit Tageslichtregulatoren und Sensoren zu Feststellung von der Anwesenheit der Benutzer ausgestattet ist, sorgt für zusätzliche Stromeinsparung.
Beim Bau wurden außerdem auf lokale Bestände zurückgegriffen. So sind zum Beispiel die vertikalen Bewegelemente der Fassade aus Lärchenholz gefertigt. Ein Baumart, die aus der Umgebung stammt. Diese beweglichen Elemente sorgen bei Bedarf für Verschattung.
Darüber hinaus beherbergt das Verwaltungszentrum 16 Einheiten mit rund 840 Mitarbeitern. Bürger, die zu verschiedenen Ämtern müssen, haben hier eine einzige Anlaufstelle für alle Bereiche. Dadurch wird das Verkehrsaufkommen und die damit einhergehende CO2 Emissionen reduziert. Die nahegelegene Kinderbetreuung auf dem Gelände ermöglicht Eltern ein kinderfreundliches Arbeitsverhältnis, wo Pendlerfahrten minimiert werden.
Kosten und Finanzierung
Der Bau des Verwaltungsgebäudes sollte 80 Millionen Euro kosten. Laut Schätzungen eines von der Stadtverwaltung eingesetzten Controllers werden diese jedoch um 5,4 Millionen Euro steigen aufgrund von zeitlicher Verzögerung. Obwohl das Verwaltungsgebäude bereits in Betrieb genommen worden ist, konnten noch nicht alle Verwaltungseinheiten umgesiedelt werden.
"Die Mehrkosten werden zurückgefordert, da keine teuren Umplanungen im Auftrag gegeben worden sind, die solche Verzögerungen oder Mehrkosten rechtfertigen würde", erklärt Gerold Wißkirchen. Die noch ausstehenden Umzüge der Verwaltungsabteilungen sollen so schnell wie möglich stattfinden, um weitere Verzögerungen zu vermeiden. Durch Vorfinanzierung soll der Fortgang der Arbeiten gewährleistet werden.
Der deutsche Nachhaltigkeitspreis
Das neue Rathaus in Freiburg erhielt Anfang Dezember 2018 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. "Das neue Rathaus Freiburg ist ein hervorragendes Beispiel für den Vorbildcharakter, den öffentliche Gebäude für die Umsetzung ökologischer und architektonischer Standards haben", lobte die Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises und würdigte den herausragenden Selbstanspruch des Projektes mit einem Sieg in der Kategorie: "Nachhaltiges Bauen".
Öffentliche Meinung
Es gibt jedoch auch Kritik am Projekt: Zum Beispiel sei der Gebäudekomplex nicht barrierefrei errichtet worden, äußert sich an anonymer Leser unter einem Beitrag der Badischen Zeitung über die Preisverleihung. Die stellvertretende Projektleiterin Annette Stiefvater äußerte sich dazu wie folgt: "Die allgemein gültigen Normen und Vorschriften wurden eingehalten. In Details sind wir noch in der Umsetzung. Dies schließt natürlich nicht aus, dass es Menschen mit Einschränkungen gibt, die im Einzelfall trotzdem eine Unterstützung benötigen."
Außerdem wurde der zu Beginn festgelegte Raumbedarf noch nicht vollständig erbracht, was bei einer preislichen Bilanz von etwa 85,4 Millionen Euro bei vielen Bürgern Empörung ausgelöst hat. Geplant waren drei Verwaltungsgebäude, gebaut wurden bisher jedoch nur eins und die Kindertagesstätte.
Weitere Projekte
Die Stadtverwaltung Freiburg plant bis 2023 mindestens ein weiteres Gebäude, um den Platzmangel zu beseitigen. Ob ein drittes Gebäude hinzukommt ist jedoch noch ungewiss. Wegen seiner höchsten Umwelt- und Energieeffizienz gilt das neue Rathaus jedoch als Statement für Klimaschutz.
"Plusenergiegebäude sind heute schon vielfach Realität. Sie lohnen sich umso mehr, je höher die Energiepreise sind, die die Nutzer ansonsten für den Energiebezug zahlen müssten und zu denen die überschüssige Energie verkauft werden kann. Noch besser wäre es, wenn der überschüssige Strom für späteren Bedarf eingespeichert werden könnte", erzählt Wolfgang Irrek, Professor für Energiemanagement und Energiedienstleistungen.
Doch nicht nur Freiburg gilt als Vorzeigestadt in Sachen Umwelt- und Klimafreundlichkeit. Bottrop ist seit acht Jahren darum bemüht, durch energetische Umbaumaßnahmen, den CO2-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 2010 zu halbieren. Zahlreiche innovative Ansätze werden derzeit in ihrer Möglichkeit zur Umsetzung geprüft.
So ist zum Beispiel geplant, dass das Aluminiumwerk Trimet, nahe des Ortes, durch Abgabe seiner Restwärme, die während der Produktionsprozesse entsteht, als Fernwärme eingesetzt wird. Jedoch stehen den Planungen einige Hindernisse im Weg, die die notwendigen Baumaßnahmen und die damit verbundenen Kosten in die Höhe treiben. Sanierungen von Wohnhäusern haben dazu beigetragen, dass man dem Ziel der CO2-Ausstoßhalbierung näher kommt. In Bottrop werden im Jahr rund drei Mal so viele Wohnhäuser mit energiesparender Technologie und energieeffizienten Umbaumaßnahmen umgerüstet, als in anderen Bundesländern. Auf diese Weise ist das Ziel zwar noch nicht erreicht, aber in greifbarer Nähe.
Teaserbild: ingenhoven architects/HGEsch