Teaserbild Innenraum eines Kommissionierautomaten

Eine Packung Ibuprofen bitte, Herr Roboter

Fast die Hälfte aller Apotheken in Deutschland verwenden bereits Automatisierungssysteme. Sogenannte Kommissionier-Automaten übernehmen Lageraufgaben und versprechen den Apothekern mehr Zeit für andere Pflichten, wie Kundenberatung. Andererseits stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung nicht auch zum Abbau von Arbeitsplätzen führt. //Von Xenia Unruh und Jonas Weiler 

Rezeptpflichtige Medikamente müssen in Apotheken sicher verwahrt werden, um Missbrauch vorzubeugen. Üblicherweise werden diese daher nicht in der Offizin, dem Verkaufsraum einer Apotheke, gelagert, sondern im Nebenzimmer. Ohne Automatisierung muss der Apotheker das Rezept annehmen, ins Nebenzimmer laufen, dort nach dem gefragten Medikament suchen, wieder in die Offizin gehen und es dem Kunden überreichen. Darüber hinaus muss er jedes Medikament bei der Lieferung einlagern. Da rezeptpflichtige Medikamente gemäß der EU-Fälschungsschutzrichtlinie seit 2011 individuell mit einer Nummer gekennzeichnet sind, müssen Apotheken zusätzlich dokumentieren, welche Packungen im Bestand sind und welche verkauft wurden. All diese Aufgaben übernimmt ein Kommissionier-Automat. Die Systeme sehen aus, wie große Schränke, in denen ein Roboterarm herumfahren kann. Er sortiert selbstständig die unterschiedlichen Schachteln und weiß über das gesamte Inventar Bescheid. Um ein Medikament auszulagern reicht es, an der Kasse das benötigte Produkt anzufordern. Fördersysteme bringen die Schachteln dann in Sekundenschnelle bis zur Kasse, wo sie an den Kunden geht.

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Vor- und Nachteile von Kommissionier-Automaten

Das Hauptargument für den Einsatz von Kommissionier-Automaten ist die Arbeitserleichterung, die die Integration des Systems für die Apotheker bietet. Weniger Laufen, je nach Ausführung kein manuelles Einlagern mehr und ein genauer Überblick über die aktuellen Bestände. Um einen Automaten einzubauen, müssen Apotheker mit Preisen um die 80 000 Euro rechnen. Die Kommissionierer werden individuell für die Anforderungen der Apotheken angefertigt und passend verbaut. Über die Lebensdauer von 15 Jahren ist zusätzlich noch mit der doppelten Menge an laufenden Kosten für Wartungen und Strom zu rechnen. Viele Apotheker sind allerdings der Ansicht, dass sich diese Anschaffung lohnt. So auch Jens Burk, Inhaber der Sonnen-Apotheke in Siershahn und der Neuen Apotheke in Westerburg.

 

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Den Überblick behalten

Wie Jens Burk im Interview erwähnt, bieten Kommissionier-Automaten auch eine Optimierung des Lagerplatzes. Das ist vor allem von Bedeutung, da deutsche Apotheken ein besonders breites Angebot anbieten müssen. Durch sogenannte Rabattverträge mit Krankenkassen sind sie dazu verpflichtet den gleichen Wirkstoff von verschiedenen Anbietern im Sortiment aufzunehmen. So ist es nicht ungewöhnlich, dass eine Apotheke mehr als 3000 verschiedene Produkte auf Lager hat.

Redundanz gegen Risiken

Risiken beim Einsatz von Kommissionier-Systemen entstehen vor allem durch Szenarien, in denen die Kommissionierer nicht mehr einsatzfähig sind: Technische Störungen oder Stromausfälle sorgen zwar dafür, dass der Roboter nicht mehr arbeiten kann, legen aber keineswegs die Apotheke lahm. Wie Burk erwähnt, ist es auch möglich die Medikamente händisch aus dem Automaten zu entnehmen. Des Weiteren besitzen Kommissionierer vom Werk aus verschiedene Redundanzen, mit denen die Folgen solcher Ausfälle abgemildert werden. Manche Automaten haben gleich zwei identische Computereinheiten, sodass diese im Falle einer Störung einfach ausgetauscht werden. Andere sind mit Notstrom versorgt. Regelmäßige Wartungen und ein ständig verfügbarer Kundenservice der Hersteller helfen zusätzlich die Folgen solcher Szenarien abzufedern.

Mehr Arbeitsplätze trotz Automatisierung

Wie bei der fortschreitenden Automatisierung in anderen Branchen stellt sich auch hier die Frage nach den Arbeitsplätzen der Menschen, die bislang die Versorgung mit Medikamenten sichergestellt haben: Apotheker und Apothekerinnen. Der Apothekerverband Nordrhein erklärt, dass obwohl die Anzahl der Apotheken in Deutschland abnimmt, die Anzahl der Arbeitsplätze dort zugenommen hat. Das liege auch an dem wachsenden Leistungsangebot. Diese Entwicklung legt nahe, dass die Arbeitsplätze von Apothekern und Apothekerinnen zumindest durch den Einsatz von Kommissionier-Automaten nicht bedroht sind. Außerdem zeigt sich durch das zunehmende Angebot, dass die Apotheker ihre Aufgaben verlagern: Weg von Aufgaben, die auch von Maschinen gemacht werden können und hin zu mehr Serviceangeboten, für die vorher die Zeit gefehlt hat.

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Markus Hüttmann, Pressesprecher der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, beteuert, dass die UPD neuen Technologien offen gegenübersteht, solange die Patientensicherheit und der Datenschutz gewährleistet sind. Allerdings wurde bisher weder die Frage, ob durch Kommissionierer Arbeitsplätze bedroht sind, noch die Frage ob die Servicequalität tatsächlich steigt, wissenschaftlich untersucht.

Apotheken ohne Menschen noch nicht in Sicht

Burk versichert, dass eine vollständige Automatisierung von Apotheken keine abzusehende Entwicklung ist. Die vollständig automatisierte Abgabe von Medikamenten ist zudem bislang durch einen Beschluss des Bundesgerichtshofs von 2020 verboten. Apotheken benötigen immer noch den Menschen, um Kunden zu bedienen und zu beraten – und die Medikamente auszugeben.

Teaserbild: Der Innenraum des Kommissionier-Automaten in der Sonnen Apotheke Siersheim //Xenia Unruh

Die Autor:innen

Jonas Weiler

Xenia Unruh

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