In bis zu 700 Metern Höhe: Flugdrache von KPS Foto: KitePowerSystems

Drachenenergie im Aufwind

Die Firma Kite Power Solutions will mit einem Lenkdrachen Höhenwindenergie nutzen und so wesentlich effektiver sein als Windräder. 2013 berichtete Technikjournal über eine ähnliche Technologie. Was hat sich in der Branche getan und kann die Technik eine Alternative zu Solar- und Windenergieparks bieten? // Von Jan Henning Klasen und Damian Krisor

Im Dezember 2016 haben Eon und Shell knapp sechs Millionen Euro in die schottische Firma Kite Power Solutions (KPS) investiert. KPS will Drachen, so genannte Kites, benutzen, um aus den Höhenwinden Energie zu gewinnen. Das würde sie wesentlich effektiver machen als Windräder, welche nicht an die Höhenwinde heranreichen. KPS meint, dass der Strom aus ihren Anlagen um 50 bis 60 Prozent billiger sein könne als der Strom aus Offshore-Windenergieanlagen. Die Anlagen brauchen im Vergleich zu Offshore-Windanlagen 80 bis 85 Prozent weniger Stahl- und Beton.

Großes Vertrauen in Höhenwindenergie

David Ainsworth, Business Development Director bei KPS, sagt: "Das Investment von Shell, Eon und Schlumberger ist eine Anerkennung unserer bisherigen Arbeit und eine Absichtserklärung."
In Zukunft soll die Höhen-Windenergie eine Alternative zu Solar- und Windenergieparks bieten. "Unser Ziel ist es, während der nächsten drei bis fünf Jahre Systeme von drei Megawatt an Land und im Meer bereitzustellen und im selben Zeitraum die Installation eines Testgeräts mit einer Leistung von bis zu 500 Kilowatt."
Markus Nitschke, Pressesprecher bei Eon Climate & Renewables, begründet das Investment: "Sollten Airborne-Windkraftwerke einmal Marktreife erlangen, ist der Einsatz global denkbar. Das ist für uns als international agierender Konzern ein interessanter Ansatz. Es kommt darauf an, dass die Technologie diesen Reifegrad erst einmal erlangt." Ferner müsse eine Produktion der Anlagen im industriellen Maßstab möglich werden, um Kostenvorteile nutzen zu können.

Energiegewinnung durch Kites

KPS will mit seinem System ganz hoch hinaus: In 700 Metern Höhe sollen die Drachen Energie erzeugen. Flugwindkraftwerke nutzen die Winde in Höhen, die Windräder nicht erreichen. Selbst das größte Windrad der Welt ist insgesamt nur rund 230 Meter hoch, bei einer Nabenhöhe von 164 Metern. Die durchschnittliche Nabenhöhe von Windrädern lag im ersten Halbjahr 2016 an Land bei 129 Metern und bei 110 Metern für Offshoreanlagen.
Je größer die Entfernung zum Boden ist, desto geringer ist der Einfluss der Bodenreibung auf die Windgeschwindigkeit.

Höhenvergleich von Windrädern und dem Höhenwindkraftwerk von KitePowerSystems Grafik: Jan Henning Klasen

Höhenvergleich von Windrädern und dem Höhenwindkraftwerk von KitePowerSystems
Grafik: Jan Henning Klasen

Ansichten zur Höhenwindenergie

KPS ist nur eine von vielen Firmen, die versuchen aus dem Wind in der Höhe Energie zu gewinnen. Bereits 2013 machte zum Beispiel die Berliner Firma Enerkite auf sich aufmerksam (Technikjournal berichtete). Diese hatte geplant, 2017 ihr erstes Kraftwerk ans Netz gehen zu lassen, musste aber auch eine Verschiebung in Kauf nehmen: "Dieses Jahr geht ein voll funktionsfähiger Prototyp mit 30 Kilowatt Leistung in Betrieb. Die Produktentwicklung der 100 Kilowatt Anlage hat begonnen. Die Fertigstellung verzögert sich jedoch um gut ein Jahr", so Alexander Bormann, Gesellschafter bei Enerkite. Er zeigt sich dennoch zufrieden: "In Enerkite wurden bis Ende 2016 etwa drei Millionen Euro investiert. Bezogen auf das eingeworbene Kapital haben wir sehr viel erreicht." Ein Grund für zögerliche Förderung sieht er auch bei der Glaubwürdigkeit: "Unternehmen mit größeren Versprechungen hatten es teilweise leichter an Geld zu kommen, konnten aber nicht liefern. Die Branche hat ein Integritätsproblem und Deutschland ein Problem mit der Skepsis."

Skeptisch ist auch Dieter Franke, Professor im Fachbereich Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und zuständig für den Studiengang Nachhaltige Ingenieurwissenschaft: "Ich sehe eigentlich kaum Chancen für diese Technologie, zumindest an Land, da es auch in 300 Metern Höhe zu Flauten kommen kann und dann ein Neustart erforderlich wäre. Auf See könnte ich mir diese Technik vorstellen, aber auch hier ist die Frage zulässig, warum es Flugdrachen für die Unterstützung der Antriebsenergie von Überseeschiffen bis heute noch nicht zur Serienreife gebracht haben." Alle Informationen über solche Systeme versprächen schließlich ähnliche Vorteile.

Rasante Entwicklung von Drohnen

Udo Zillmann ist Netzwerkkoordinator von HWN500, einem Forschungs- und Branchennetzwerk der Höhenwindenergie, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Er begründet die schleppende Entwicklung seit dem Aufkommen der Idee in den 1970er Jahren damit, dass es früher nicht möglich gewesen sei, eine solche Anlage sicher zu steuern. "Erst die rasante Entwicklung der Drohnentechnologie in den letzten Jahren hat hier zu einem Durchbruch geführt", erklärte er. Daher hätten erfolgreiche Prototypen erst ungefähr in den letzten fünf Jahren gebaut werden können.

Fehlende Akzeptanz von Windenergie

Die Betreiber von Windparks hatten in der Vergangenheit große Probleme, die Bevölkerung von ihren Vorhaben zu überzeugen. In einer Umfrage über die Akzeptanz von Windenergie in Deutschland, die 2011 von TNS Infratest durchgeführt wurde, waren 68 Prozent der Befragten voll und ganz für den Gebrauch von Windenergie und nur ein Prozent dagegen. Aber eine im selben Jahr erhobene Umfrage von Forsa legt nahe, dass die Akzeptanz schwindet, wenn es um die eigene Nachbarschaft geht: nur zehn Prozent der Befragten fänden eine Anlage in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft sehr gut.
Dieter Franke sieht ähnliche Probleme auch auf die Anbieter von Flugwindkraftanlagen zukommen: "Sicher wird diese Technik ein noch größeres Akzeptanzproblem als heute übliche Windkraftwerke haben. Hier werden Turmhöhen von über 100 Metern schon in der Planungsphase von Bürgerinitiativen blockiert. Was würden die Anwohner über Objekte sagen, die 300 Meter hoch fliegen und entsprechend weit sichtbar wären?" Letztendlich werde die Energie ja nicht aus einem statisch stehenden Flugdrachen gewonnen, sondern aus seiner Bewegung in der Luftströmung.

Windatlas: Gute Windstandorte in Deutschland bei 100 und 200 Metern

Windatlas: Gute Windstandorte in Deutschland bei 100 und 200 Metern
Grafik: IRENA: Global Atlas, Map data: DTU 2015, OpenStreetMap contributors

Hindernisse von Flugdrachen

Von Kritikern unbeeindruckt forscht die Branche weiter. "Es gibt weltweit inzwischen über 20 Firmen und insgesamt etwa 50 Projekte zum Bau und zur Erforschung von Flugwindkraftanlagen. Neben Eon und Shell haben auch viele andere namhafte Firmen in Unternehmen oder eigene Forschung in dem Bereich investiert – etwa Google, ABB, Honeywell und Softbank", sagt Udo Zillmann. Er stützt seinen Optimismus auch auf einen Bericht der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) in dem Höhen-Windenergie als "Gamechanger" bezeichnet wird. Neben den Vorzügen der Höhen-Windenergie werden aber auch Probleme genannt, wie die Möglichkeit eines Blitzeinschlags, Interferenzen für Flugzeuge und Radar, die Sicherheitsgefahr bei Fehlfunktionen und der Einfluss von Stürmen. Roland Schmehl, Professor an der TU Delft im Fachbereich Raumfahrttechnik, sieht einige Herausforderungen auf die Branche zukommen: "Robustheit und Verlässlichkeit des Betriebes, die Strapazierfähigkeit der Materialien, automatisiertes Starten und Landen."
Markus Nitschke von Eon bezeichnet außerdem die ungeklärte Rechtslage als eine "wesentliche Herausforderung".

Ungewisse Zukunft für die Höhenwindenergie

So vielversprechend die Höhenwind-Technologie auch sein mag, es wird laut Dieter Franke noch eine Weile dauern, bis wir überall Kitedrachen am Horizont kreisen sehen werden. "Eine neue Technologie, noch ohne Erprobungsphase wie bei den Flugwindkraftwerken, könnte wohl erst in zehn Jahren an Bedeutung gewinnen."

Weiterführende Links

Bericht von der International Renewable Energy Agency (IRENA) über die Entwicklung im Bereich von offshore-Windenergie

Ein Artikel auf einer Communityseite für private unbemannte Luftfahrzeuge über ein Projekt bei dem Do-It-Yourself-Drohnen zur Energiegewinnung benutzt werden

Erster Bericht aus dem Jahre 2013 von Technikjournal über die Höhenwind-Energieerzeugung mit Flugdrachen

Pressemeldung von Eon über das Investment in KPS

Die Studie zur Akzeptanz von Windenergieanlagen in der näheren Umgebung gibt es hier.

Eine Umfrage aus dem Jahre 2011 zum Gebrauch von Windenergie in Deutschland gibt es hier.


Die Autoren

Damian Krisor

Damian Krisor

Jan Henning Klasen

Jan Henning Klasen

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