Live-Streaming als Beruf?

Das Live-Streaming von Videospielen wird immer populärer. Seit der Gründung der Plattform Twitch.tv im Jahre 2011 steigen die Zuschauerzahlen kontinuierlich an. Tausende Streamer zeigen täglich ihr Können am Bildschirm. Das Hobby zum Beruf machen, ist der Traum vieler junger Menschen. // Von Theodor Zbroja und Nils Laumann

Fabian Lögler steht jeden Morgen auf und lebt den Traum eines "Vollzeit-Streamers". Von früh bis spät streamt der 22-Jährige das Spiel "World of Warcraft". Seinem Twitch.tv-Kanal "Deepshades" folgen knapp 38.000,  ein vierstelliges Publikum schaut ihm regelmäßig zu. Lögler verdient durch Streamen genug, um davon leben zu können.

Doch handelt es sich dabei wirklich um einen Beruf? Unverständnis seitens Familie oder Freunde gibt es kaum: "Meine Mutter respektiert, dass ich damit Geld verdiene. Sie hätte dennoch lieber, dass ich einen richtigen Job ausübe. Meine Freunde sind eher beeindruckt, dass man mit einem Hobby so gutes Geld verdienen kann."

Unter Streaming oder auch Live-Streaming versteht man das Übertragen von Aufnahmen in Echtzeit. Diese Aufnahmen stammen im Gaming-Bereich direkt vom Bildschirm des Spielers. Diese Übertragung kann dann beispielsweise auf einer Plattform wie Twitch.tv angesehen werden. Fast immer wird das Spiel vom Spieler dabei kommentiert und häufig gibt es auch eine sogenannte "Facecam", bei der der Zuschauer den Spieler beobachten kann.

Lögler auf einem Stream-Event

Lögler bei einem Live-Streaming-Event in London. (Quelle: Method.gg)

Zocken und dabei ins Mikrofon quatschen - so stellen sich viele das Leben eines Live-Streamers vor. Doch ganz so einfach ist es nicht. Zunächst braucht ein Streamer einen leistungsstarken Computer. Gerade im Bereich des Game-Streamings erwarten die Zuschauer eine hohe Qualität und vor allem eine hohe Bildfrequenz. Dazu benötigt ein Live-Streamer ebenfalls eine gute Internetverbindung. Darüber hinaus muss der Sender eine Rundfunklizenz beantragen, die im Prinzip eine staatliche Sendeerlaubnis ist. Diese vergibt beispielsweise in NRW die Landesanstalt für Medien. Sind all diese Hürden genommen, wartet die wohl größte Herausforderung: Der Reichweitenaufbau.

Die Konkurrenz unter Streamern

Teilweise sind auf Twitch.tv über 120.000 Streams gleichzeitig aktiv. Jeder dieser Streamer versucht möglichst viele Zuschauer für sich zu gewinnen. Um eine Reichweite aufzubauen, ist viel Durchhaltevermögen und eine positive Einstellung besonders wichtig: "Man sollte zunächst nicht zu sehr auf die Zuschauerzahl achten, sondern selbst erst einmal gutes Programm abliefern. Viele geben auf, wenn sie keine Zuschauer haben", meint Fabian Lögler und ergänzt, dass auch ihm eine niedrige Zuschauerzahl auf die Stimmung schlage. Ebenso wichtig ist zudem ein Alleinstellungsmerkmal: Der Streamer muss den Zuschauern einen Grund geben, ihn anzuschauen. Dies kann, wie im Falle Löglers, besonderes Können in einem Spiel sein.

Dennoch sollten sich Live-Streamer nicht ausschließlich auf ihre Sendung als Einkommensquelle verlassen. Der Wettbewerb ist sehr hoch und das Einkommen durch Abonnenten und Spenden auf Twitch.tv kann jederzeit ausfallen. Dies kann aus einem Zuschauerverlust durch eine Programmänderung, aber auch durch einen Ausschluss seitens der Plattform passieren: Verstößt ein Streamer gegen die Nutzungsbedingungen der Seite, wird sein Stream abgeschaltet, wodurch keine Übertragung mehr gesendet werden kann.

Streamsituation Deepshades

Eine typische Situation im Stream: Deepshades kämpft sich mit 19 weiteren Mitspielern durch sogenannte Raids. Dabei wird ihm von zahlreichen Zuschauern über die Schulter geschaut. (Quelle: twitch.tv/Deepshades)

Lögler trifft für einen Ausstieg aus dem Streamer-Leben bereits Vorkehrungen. Egal ob freiwillig oder nicht, er möchte vorbereitet sein: "Ich wollte ohnehin anfangen zu studieren, sehr wahrscheinlich Marketing oder Eventmanagement", so Lögler.

Das Live-Streaming via Twitch.tv

Die Internetseite Twitch.tv ist die wohl wichtigste Plattform für Live-Streamer. Hier präsentieren sich die Streamer dem Publikum und sind für jeden aufrufbar. Mit einem Klick auf den Kanal hat der Zuschauer direkten Kontakt mit dem Streamer und kann mit ihm oder anderen Zuschauern entweder im Chat kommunizieren oder den Streamer finanziell durch kostenpflichtige Kanalabonnements oder Spenden unterstützen. Neben diesen Einnahmen sind auch Partnerschaften, Werbeaktionen oder Product Placements von Firmen eine wichtige Einnahmequelle für Streamer. Auf Twitch.tv gibt es neben Game-Streams auch sogenannte "In-real-Life"-Streams, wo Menschen beispielsweise live ihre Arbeit zeigen: Bekannte Beispiele sind Crêpe-Verkäufer, die live von ihrem Stand senden, LKW-Fahrer, die durch Deutschland touren oder aber Landwirte, die zeigen, wie sie ihre Felder bewirten. Ursprünglich gegründet wurde die Plattform jedoch für die E-Sports-Szene.

Entwicklung der zeitgleich schauenden Zuschauer auf Twitch.tv

Anzahl der durchschnittlich zeitgleich schauenden Zuschauer auf Twitch.tv von 2012 bis 2019 (Quelle: Twitchtracker)

Live-Streaming ist eine sehr junge Branche. Dies spiegelt sich auch im durchschnittlichen Zuschaueralter auf Twitch.tv wider, das bei rund 21 Jahren liegt. Die 2014 von Amazon übernommene Plattform ist noch keine zehn Jahre alt und befindet sich dementsprechend noch im Wachstum. So auch in Deutschland: Im April 2019 wurde Twitch.tv in Deutschland rund 430 Millionen mal aufgerufen. Damit ist Twitch.tv nach eBay-Kleinanzeigen im April die am zweit häufigsten aufgerufene Website in Deutschland. Weltweit sieht es ähnlich aus: auch hier die Plattform der Platzhirsch - gefolgt von YouTube.

Das Gesetz als Stolperstein

Eine Einstellung des Streams kann auch von staatlicher Seite erfolgen. Die Landesmedienanstalten in Deutschland müssen den Rundfunkstaatsvertag durchsetzen. Durch diesen Vertrag benötigen Live-Streamer im Internet eine Rundfunklizenz wie ein Fernsehsender.

Kriterien für die Rundfunklizenz

> Der Beitrag ist live oder startet zu einem bestimmten Zeitpunkt (Sendeplan)

> Über 500 Zuschauer können theoretisch erreicht werden (Technische Vorraussetzung)

> Das Programm ist redaktionell gestaltet (Kommentieren reicht aus)

> Das Angebot steht regelmäßig/wiederholend zur Verfügung

Mit dem Erwerb einer Rundfunklizenz gilt der Streamer offiziell als Sender. Damit einher geht auch eine Verantwortung gegenüber dem Jugendschutz. Ein fähiger Jugendschutzbeauftragter muss bestimmt werden; dieser muss berufliche Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen als Pädagoge gesammelt oder eine Fortbildung zu diesem Thema durchlaufen haben. Da die Jugendschutzgesetze aus dem linearen Rundfunk übernommen wurden, dürfen auch Inhalte wie Spiele, die eine höhere Jugendschutzfreigabe haben, erst zu später Stunde gesendet werden.

Wer braucht eine Rundfunklizenz?

Bereits in der Vergangenheit wurden populäre Live-Streamer und YouTuber von den Landemedienanstalten kontaktiert und aufgefordert, eine Rundfunklizenz zu erwerben. Die Kosten einer solchen Lizenz können zwischen hundert und mehreren tausend Euro liegen, je nach Verbreitungsgrad. Die bekannten LetsPlayer und Streamer Erik Range alias "Gronkh" und Peter Smits, auch "PietSmiet" genannt, wurden von der Landesanstalt für Medien (LfM) NRW aufgefordert, eine Rundfunklizenz zu erwerben oder ihre Streams mit jeweils mehreren hunderttausend Followern einzustellen. Während Range eine Lizenz erwarb, beschloss Smits die Einstellung seines Streams.

Doch nicht nur große Live-Streamer geraten in den Fokus der Landesanstalten. Der Streamer Thomas Zinnecker hatte auf seinem Twitch-Kanal "der Zinni" im Durchschnitt nur 30 Zuschauer. Doch auch er wurde von der  Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) in Rheinland-Pfalz (RP) aufgefordert, eine kostenpflichtige Lizenz zu erwerben.

Entwicklung der Anzahl an gleichzeitig sendenden Kanälen von 2012 bis 2019

Anzahl der durchschnittlich zeitgleich sendenden Kanäle auf Twitch.tv von 2012 bis 2019 (Quelle: Twitchtracker)

Streaming ist gleich Rundfunk?

Nach derzeitiger Rechtslage kann jeder Live-Streamer aufgefordert werden, eine Lizenz zu erwerben. Auch unter vielen Juristen ist der Erwerb einer Rundfunklizenz für diesen Berufszweig stark umstritten. Medienanwalt Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde, Beuger und Solmecke sagt in einem Kanzlei-Video dazu: "Es wird zur Zeit eine Reform des Rundfunkstaatsvertrags diskutiert und man überlegt, ob Rundfunk im Internet möglicherweise keine Zulassung mehr benötigt -  in gewissen Rahmenbedingungen. "Ein neuer Entwurf zum Medienstaatsvertrag beinhalte den Begriff des Bagatell-Rundfunk", bei dem das reine Vorführen und Kommentieren eines Spiels nicht mehr lizenzpflichtig sein soll. In einer Stellungnahme gegenüber technikjournal schrieb die Landesanstalt für Medien NRW: "Die Medienanstalten weisen bereits seit 2014 darauf hin, dass sie die Anwendung des Rundfunkbegriffs nicht mehr für zeitgemäß halten. Und setzen sich für die Schaffung eines zeitgemäßen ordnungspolitischen Rahmens ein." Ebenso sehe sich die LfM lediglich als Teil der Exekutive, die den staatlich festgelegten gesetzlichen Rahmen umsetzen müsse.

Live-Streaming - ein Beruf ohne Ausbildung

Live-Streamer zu sein, ist ein Beruf wie jeder andere, jedoch kann dieser nicht einfach durch ein Studium oder eine Ausbildung erlernt werden. Dieses Berufsfeld ist geprägt von vollkommener Selbständigkeit. Wie in jedem Beruf zahlt auch ein Streamer Steuern, kauft Lizenzen, muss Normen erfüllen und hat feste "Arbeitszeiten". Durch den Erwerb einer Rundfunklizenz stuft der deutsche Staat den Streamer offiziell als Sender ein. Für Zinnecker ging es jedenfalls glücklich aus: die LMK RP stufte die Rundfunklizenz bei seiner Streamgröße als unverhältnismäßig ein - was bewirkt, dass er keine Lizenz mehr benötigt.

Die Autoren

Nils Laumann

Theodor Augustin Zbroja

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