Das Suchtpotenzial unseres Smartphones // Quelle: Pexels.com

Die Smartphone-Droge

Ob mit E-Mails, Whatsapp oder Spielen - das Smartphone lenkt als ständiger Begleiter im Alltag häufiger ab, als man zunächst denkt. Doch ab welchem Punkt handelt es sich um Suchtverhalten und wann sollten Maßnahmen ergriffen werden? // Von Sophie von der Heydt und Lejla Cirkic

Psychologen machen schon lange darauf aufmerksam, dass Smartphones nicht nur harmlose technische Alleskönner sind. Vielmehr schaffen sie auch Abhängigkeiten, die mit übermäßiger Drogen- oder Spielsucht zu vergleichen sind. "Je mehr Schnickschnack die Geräte bieten, desto größer die Gefahr einer übertriebenen Fixierung", sagt Psychologin Lisa Merlo von der Universität Florida im Handelsblatt. Laut einer Umfrage vom Bundesverband Digitale Wirtschaft zur digitalen Nutzung aus dem Jahr 2018, gaben rund 46 Prozent der Befragten an, dass sie immer online und erreichbar sind.

Was ist Smartphone-Sucht überhaupt?

Mit dem Begriff Handyabhängigkeit oder Smartphone-Sucht wird die psychologische oder verhaltensbestimmte Abhängigkeit von Mobiltelefonen bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Suchtstörung, die eng mit der Abhängigkeit digitaler Medien verbunden ist, wie zum Beispiel der Abhängigkeit von sozialen Medien oder dem Internet. Ein typisches Symptom ist dabei die Angst vor dem Verlust des Zugangs zu den Telekommunikationsmöglichkeiten. Ebenfalls  gehören dazu eine übermäßige Geld- und Zeitinvestition in das Smartphone, oder auch die Verwendung des Geräts zu unangemessenen Zeitpunkten, wie zum Beispiel beim Autofahren. Eine übermäßige Nutzung kann zu Nachteilen für persönliche Beziehungen und zudem zu Angstzuständen bei räumlicher Trennung vom Mobiltelefon oder fehlendem Handyempfang führen. Auch auf die eigene Produktivität wirkt sich eine Smartphone-Sucht negativ aus.

Der Alleskönner

Handys waren früher einmal bloße Werkzeuge zur mobilen Kommunikation. Heute jedoch sind sie alles in einem: Navigationssystem, Kamera, Spielkonsole, Taschenrechner und vieles mehr. Wir wenden uns mit jeder Angelegenheit an unser Smartphone - vom Lesen der neusten Nachrichten bis hin zum Schlaftracking. Es ist nicht nur ein kleines Hilfsmittel im Alltag, wir verlassen uns regelrecht auf unsere Smartphones. Gründe für die Entstehung einer Smartphone-Sucht liegen daher auf der Hand.

Smartphone-Sucht ist oft Social-Media-Sucht

Doch nicht das Smartphone als solches ist das Problem: "Über exzessive Nutzungsweisen des Smartphones ist festzuhalten, dass Menschen nicht abhängig von dem Smartphone, sondern von darauf installierten Apps sind. Wenn also beispielsweise exzessive Nutzungsweisen von Social-Media-Kanälen wie Instagram im Vordergrund der Nutzung einer Person stehen, ist es wohl besser von einer Internet-Communication Disorder oder Social-Media Addiction zu sprechen", so Christian Montag, Professor an der Universität Ulm und Autor des Buches "Homo Digitalis", das sich mit der Smartphone-Nutzung beschäftigt. Apps als soziale Verbindung, die jederzeit aufrufbar sind und Aufmerksamkeit schenken – das ist oft der Grund, warum Smartphones heutzutage ein unabdinglicher Gegenstand sind.

Das Smartphone als neue Droge

Laut Experten sind Smartphones genau wie bei Drogen- oder Glücksspielsüchten ein Ausweg aus der Realität. Das auf "Smartphone" geschaltete Gehirn ist das gleiche, wie das Gehirn unter Kokaineinfluss: Es wird ein sofortiges Gefühl des Glücks verströmt, sobald der Bildschirm mit einer neuen Benachrichtigung aufleuchtet. "Eine Reaktion auf etwas, das man bei Whatsapp schreibt oder ein Like für einen Facebook-Post aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn und wirken stimmungsverändernd. Wir freuen uns – ähnlich wie, wenn uns im echten Leben jemand auf die Schulter klopft", sagt Michael Knothe, Pressesprecher vom Fachverband Medienabhängigkeit. Das menschliche Belohnungssystem wird von dem chemischen Element Dopamin stimuliert, das Zustände wie Freude und Zufriedenheit auslöst. Auf diese Weise werden wir motiviert, bestimmte Dinge ständig zu wiederholen, wie beispielsweise zum Handy zu greifen. Dieser Prozess der ständigen Sehnsucht das Glücksgefühl erneut hervorzurufen, kann letztendlich zu einer Sucht führen. Allerdings macht ein Smartphone, anders als bei harten Drogen, wie beispielsweise Kokain, nicht körperlich abhängig. Deshalb gibt es auch keine körperlichen Entzugserscheinungen.

Bin ich handysüchtig?

Nicht jeder muss direkt süchtig sein, nur weil häufig auf das Smartphone geschaut wird. "Von einer Smartphone-Sucht ließe sich möglicherweise erst dann sprechen, wenn sehr viele unterschiedliche Applikationen auf dem Gerät exzessiv genutzt werden und vor allen Dingen im Alltag mit Kontrollverlust über die Nutzung und beispielsweise mit bedeutsamen Beeinträchtigungen in privaten/beruflichen Bereichen einhergeht", so Montag. Ein weiteres Alarmzeichen für Suchtpotenzial ist, wenn es sehr schwerfällt oder gar zu einer Frustration führt, wenn auch nur für kurze Zeitspannen auf das Handy verzichtet werden muss. Wer stundenlang online ist, es jedoch trotzdem schafft, problemlos seinen alltäglichen Aktivitäten nachzugehen, hat auch kein Suchtproblem.
Selbst wenn keine Sucht vorliegt, ist eine zu extreme Nutzung nicht unbedenklich. Um diese in den Griff zu bekommen, braucht es vor allem an Selbstkontrolle. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Deloitte zeigt, dass etwa 40 Prozent der Befragten der Überzeugung sind, ihr Smartphone zu oft zu nutzen. 46 Prozent haben vor, ihre Handy-Nutzung einzuschränken. Technikjournal hat Tipps zusammengestellt für alle, die ihre Smartphone-Nutzung kontrollieren und einschränken wollen:

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Die Handynutzung in Maßen halten

Handys mit einem Internetzugang bieten unbestrittene Vorteile wie das erhöhte Sicherheitsgefühl durch Notruffunktionen und die vielfältige Informationsbeschaffung. Dennoch tun ein regelmäßiger Abstand und ein gesundes Bewusstsein im Umgang mit unserem Handy unserer mentalen und körperlichen Gesundheit gut, denn häufig ist unsere dauerhafte Erreichbarkeit nicht wirklich notwendig. Bis die Smartphone-Sucht offiziell als Krankheit anerkannt wird, sei es laut Christian Montag noch ein weiter Weg.

Teaserbild: Das Suchtpotenzial unseres Smartphones // Quelle: Pexels.com

Die Autorinnen

Lejla Cirkic

Sophie von der Heydt

2 comments

  1. schmitzegon 11 Juli, 2019 at 16:49 Antworten

    Das auf “Smartphone” geschaltete Gehirn ist das gleiche, wie das Gehirn unter Kokaineinfluss. Zitatende

    Steile These, aber kann man das nicht für ALLES sagen, auf das wir unsere Aufmerksamkeit richten?

    Wer leidenschaftlich gerne Geige spielt und seine Leistung ständig verbessert, wofür er locker 10 h am Tag üben muss, müsste dann Geigenspielsüchtig sein!

    Und wer ordentlich studiert und sich auf alle Prüfungen langfristig und umfassend vorbereitet, der ist sicherlich studiersüchtig?

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