Teaserbild: Kontaklos Bezahlen im ÖPNV

Kontaktloses Bezahlen im ÖPNV

Im Bonner Nahverkehr kann man bald kontaktlos bezahlen. Ein Scan der EC-Karte oder des Smartphones beim Ein- und Aussteigen reicht aus. Dafür sorgt das Pilotprojekt "BONNsmart". Noch im Jahr 2020 sollen die Busse und Bahnen der SWB mit der nötigen NFC-Technologie ausgestattet werden. // Von Kevin Kampa und Michael Panoulas

Welches Ticket brauche ich? Diese Frage stellen sich viele, wenn sie im Nahverkehr unterwegs sind. Die Stadtwerke Bonn (SWB) wollen diese Frage überflüssig machen und starteten das Pilotprojekt "BONNsmart" zum kontaktlosen Bezahlen. Das Projekt soll zudem mehr Menschen dazu bewegen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen und so die Umwelt und das Klima schützen. Doch es gibt auch Bedenken von Datenschützern.

Funktionsweise des kontaktlosen Bezahlens

Das kontaktlose Bezahlen zeichnet sich dadurch aus, dass kein Bargeld benötigt wird. Bezahlt wird mit einer Bank- oder Kreditkarte. Die Karten müssen nur vor einen Scanner gehalten werden, und schon wird der Fahrpreis vom Konto abgebucht. Bank- oder Kreditkarten, mit denen kontaktlos bezahlt werden kann, sind am Wellensymbol erkennbar. Sie enthalten einen so genanten NFC-Chip, die Abkürzung steht für Near Field Communication. Mit diesen Chips sind auch Smartphones oder Smartwatches ausgerüstet. Der Abstand zwischen Karten, Smartphone oder Smartwatch und Scanner darf für das kontaktlose Bezahlen nur wenige Zentimeter betragen.

Grundsätzlich wird bei einem Einkauf in Online-Shops bei Android-Smartphones der Google-Pay-Dienst verwendet. Bei iPhones wird Apple-Pay für das kontaktlose Bezahlen verwendet. Zum Schutz der Kunden haben die meisten Banken bei Einkäufen in Online-Shops eine Obergrenze eingeführt, sodass der Kunde nicht zu oft diese Art des Bezahlens verwendet. Zudem können Kunden über ihr Smartphone einstellen, dass sie benachrichtigt werden, wenn ein Kauf in einem Online-Shop durchgeführt wurde.

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Für den Kunden wird es nicht teurer

Laut Georg Bechthold, Projektleiter des Pilotprojekts und Leiter für Kommunikation und Marketing der SWB, werden die Fahrgäste, die "BONNsmart" nutzen, denselben Ticketpreis zahlen, wie zur Zeit auch. Es es sei noch nicht entschieden, ob es Rabattierungen geben werde. Bei Handytickets spare der Fahrgast 5 Prozent gegenüber den Tickets aus dem Automaten und bei Einzeltickets spare der Fahrgast 10 Prozent. "Es werden die Wartung und die Instandhaltung von Automatensystemen entfallen", so Georg Bechthold.

Kontaktloses Bezahlen hat Sicherheitsrisiken

Wie bei jeder neuen Technologie gibt es auch beim kontaktlosen Bezahlen Sicherheitsbedenken. Die Einfachheit des kurzen Scannens, ganz ohne PIN-Eingabe, kann auch missbraucht werden. Jemand könnte unbemerkt die Taschen seiner Mitmenschen scannen und so kontaktlos Geld abbuchen. 2017 erklärte zwar die UK Cards Association, dass ihnen kein Fall bekannt sei, dass so etwas passiert sei, aber der deutsche Verbraucherschutz warnt auf seiner Website. Redakteure des SWR-Magazins "Marktcheck" hatten es geschafft, Passanten bis zu 100 Euro unbemerkt von ihrer Karte abzubuchen. Der Scanner verlangt bei Beträgen über 25 Euro eine Unterschrift.  Diese überprüft er aber nicht. Größere Fälle eines solchen Betruges sind dem Verbraucherschutz aber auch nicht bekannt. Um sich zu schützen, können Kunden bei ihrem Kreditinstitut eine Hülle anfordern, welche das Scannen der Karte verhindert, empfiehlt Daniel Strunk, Pressesprecher des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW.

Die Verbraucherzentrale Bonn rät, regelmäßig den eigenen Kontoverlauf zu überprüfen. Das hilft auch, den Überblick über seine Zahlungen nicht zu verlieren. "Wenn man mit Bargeld bezahlt, reicht ein Blick in den Geldbeutel, um zu sehen, wie die aktuelle finanzielle Lage ist. Ist nichts mehr drin, kann auch nichts mehr eingekauft werden", erklärt Manuela Dorlaß, Beraterin bei der Verbraucherzentrale Bonn.

Bewegungsprofile sorgen für Bedenken bei Datenschützern

Das zentrale Sicherheitsrisiko sehen Experten beim Datenschutz. Durch das Scannen können theoretisch alle Wege nachverfolgt werden. Oder wo man sich im Moment befindet. "Bei BONNsmart werden konkret die Streckenabschnitte erfasst", sagt Manuela Dorlaß. Es hieße zwar, diese seien anonym, aber zumindest zur Abrechnung müssten sie weitergegeben werden. Personalisierte Werbung könnte diese Daten nutzen. Daniel Strunk empfiehlt den Bürgern, Auskunft darüber zu verlangen, welche Daten auf einem NFC-Chip gespeichert werden.

Auch Reinhard Linz von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz sieht das zentrale Risiko bei Bewegungsprofilen. Für den normalen Kunden sei es schwer nachvollziehbar, was genau mit den eigenen Daten passiert und wer diese erhält. Er fordert ein Abrechnungssystem, dem man vertrauen kann und das sicherstellt, dass die Daten wieder gelöscht werden.

London nutzt schon lange NFC im Nahverkehr

Ein ähnliches System, wie es in Bonn geplant ist, gibt es schon lange in London. Dort wurde 2003 von Transport for London (TfL) die Oyster Card eingeführt. Dabei handelte es sich um eine Karte mit RFID-Chip. Geschäfte und Automaten in den Bahnstationen verkaufen die Oyster Card. Mit dieser kann man sich im Londoner Nahverkehr ein- und auschecken. Die Karte besitzt ein eigenes Guthaben, das regelmäßig wieder aufgeladen werden muss.

Ende 2012 wurde diese Art des Bezahlens auf Kredit- und EC-Karten ausgeweitet. Zuerst in den Bussen, 2014 dann auch in der U-Bahn. Dadurch muss man keine zusätzliche Karte mit sich führen und aufladen.

Das System kommt gut an. Immer mehr Menschen fahren kontaktlos. Die Zahl der Fahrten stieg in den letzten drei Jahren von über 25 Millionen, auf über 75 Millionen im Monat.

In London nutzen immer mehr Menschen kontaktloses Zahlen im Nahverkehr. //Quelle: Transport for London | Grafik: Statista

 

Es gibt verschiedene Probleme beim kontaktlosen Bezahlen

In London muss man darauf achten, sich immer mit derselben Karte ein- und auszuchecken. Denn nur so kann der richtige Preis berechnet werden. Eine Kreditkarte und ein mit dieser Kreditkarte verknüpfter Apple-Pay-Account sind z. B. nicht miteinander kompatibel. Falls man sich mit der falschen Karte auscheckt oder das Auschecken komplett vergisst, versucht TfL, die Reiseroute nachzuverfolgen und dementsprechend abzurechnen. Wenn das nicht funktioniert, muss man den Maximalbeitrag für ein Tagesticket bezahlen. Das sind bis zu 27 Pfund. 2019 waren 1,8 Prozent aller kontaktlos durchgeführten Fahrten nicht richtig beendet worden. TfL korrigierte über die Hälfte davon im Nachhinein.

Transport for London warnt auch davor, einen Geldbeutel mit mehreren Karten zu scannen. In diesen Fällen können sich die Karten gegenseitig blockieren oder es wird jede einzelne belastet.

Die SWB setzt seit 2012 auf neue Konzepte

Im Jahr 2012 führten die SWB die mobile Applikation SWB easy.GO ein, mit der die Fahrgäste ein Handyticket kaufen können. Die Fahrgäste sollten so die Möglichkeit bekommen, ihre Fahrkarte mit dem Smartphone zu erwerben. Es kamen weitere Bezahlmöglichkeiten wie zum Beispiel PayPal hinzu. "Es ist politischer Wille, dass die Abschaffung des Papiertickets langfristig stattfinden soll", so Georg Bechthold.

Vom Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen bekommen die SWB rund 500.000 Euro, damit die Busse und Bahnen mit entsprechenden Scannern ausgestattet werden können. Auch spiele laut Georg Bechthold der Aspekt der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle: Durch die vermehrte Nutzung von Bus und Bahn würden die Fahrgäste etwas Gutes für die Umwelt tun.

Der digitale Service wird weiter ausgebaut

In insgesamt 230 Bussen und 99 Bahnen der SWB soll das Konzept von "BONNsmart" erprobt werden. In Zukunft soll „BONNsmart“ auch mit der App „BONNmobil“ zusammen funktionieren. Die App „BONNmobil“ zeigt an, wo sich ein Bus oder ein Zug befindet.

 

Teaserbild: Viel Betrieb am Bonner Hauptbahnhof. Dank dem Pilotprojekt der SWB könnte Busfahren bald einfacher werden. //Foto: Michael Panoulas 

Die Autoren

Kevin Kampa

Michael Panoulas

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