Smartphone mit App vor einer Innenstadt

Digitalisierung für attraktive Innenstädte

Das Online-Shopping ist in den vergangenen zwei Jahren immer beliebter geworden. Dadurch leidet der lokale Handel unter den wegbleibenden Kund:innen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Telekommunikationsverbands Bitkom macht die Digitalisierung der Innenstädte das Einkaufen vor Ort attraktiver. //von Louis Lembke & Johanna Jörgens

Zu welcher Uhrzeit ist die Innenstadt am vollsten? Welches Angebot gibt es heute in meinem Lieblingsgeschäft in der Einkaufsstraße und wann fährt eigentlich die nächste S-Bahn in Richtung Heimat ab? All das könnte es zukünftig auf einen Blick in einer zentralen Innenstadt-App geben. Dieser Gedanke könnte wieder mehr Menschen, besonders jüngere, in die Innenstadt locken. Das zeigt eine Umfrage von Bitkom, bei der 76 Prozent der Befragten zwischen 16 und 29 angaben, dass sie genau eine solche App nutzen würden.

Ergebnisse der Umfrage

Die Umfrage, die zwischen Mitte und Ende Oktober 2021 durchgeführt wurde, zeigt, dass sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer:innen eine zentrale Innenstadt-App wünschen. Dabei spricht sich nicht nur die jüngere Zielgruppe dafür aus. Auch die Mehrheit der Personen ab 65 Jahren gaben an, dass sie solch eine App nutzen würden. 69 Prozent der Befragten wünschen sich, aktuelle Informationen über Produktverfügbarkeit in Läden auf ihrem Smartphone abrufen zu können. Fast genauso viele möchten die Preise verschiedener Geschäfte digital vergleichen können. Außerdem würde sich knapp die Hälfte gerne die Auslastung der Innenstadt in Echtzeit anzeigen lassen können. Auch das Abholen von Online-Bestellungen über eine Click & Collect Funktion fällt unter die Wünsche der Umfrageteilnehmer:innen. Dabei können digitale Technologien, wie kostenfreies WLAN im Geschäft, die Interaktionen zwischen Händlern und Kunden fördern und vereinfachen. Etwas weniger als zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass der Einkauf vor Ort so komfortabler sei.

BLVRD-App als Beispiel

In Hamburg gibt es bereits einen konkreten Versuch, mithilfe der Digitalisierung mehr Menschen für die lokalen Geschäfte und Einkaufsmeilen anzuwerben. Die kostenlose App namens BLVRD erschien im Herbst 2021. Zu Winterbeginn vergangenen Jahres zählte die App über 6.000 Nutzer:innen und es wurden mehr als 250.000 Artikel angeboten. Viele Fashion- und Kleidungsunternehmen aus der Region rund um Hamburg partizipieren in der App. Die Gründer wollen dem Online-Geschäft die Stirn bieten, den lokalen Einzelhandel stärken und dem Innenstadtsterben entgegenwirken. Auf der eigenen Website schreiben die Gründer von BLVRD, dass sie bereits heute die entscheidenden Voraussetzungen für den hybriden Einzelhandel schaffen. Der Umweltaspekt soll auch in den Vordergrund rücken. Laut einer Studie des Umweltbundesamts von 2020 entstehen durch den Online-Handel und damit einhergehenden Retourpaketen bis zu 370.000 Tonnen Verpackungsmüll im Jahr.

Umsetzung aus technischer Sicht möglich

Bei der Entwicklung der zentralen Innenstadt-App muss sich zunächst mit den Zielen und Bedürfnissen der teilhabenden Gruppen befasst werden. Es gibt auf der einen Seite die Kund:innen der lokalen Geschäfte und auf der anderen Seite die lokalen Händler:innen. „Bei jedem Ziel der Nutzenden stellt sich die Frage, welche Aufgabe zur Erreichung des Ziels mit der App unterstützt werden müsste“, meint Simone Bürsner, Professorin für Software-Technologie an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin. Technische Hürden sehe Bürsner in der Entwicklung nicht. Schließlich gebe es Informationen, wie die Auslastung in Geschäften oder lokalen Angebote bereits im Netz, wenn man gezielt danach sucht. Die Umsetzung liege in den Händen lokaler Händler:innen und inwiefern diese dazu bereit seien, die App mit ihren eigenen Daten zu versorgen, sagt Bürsner. Aus technischer Sicht können die meisten Wünsche der Internetuser:innen also auch in der App angeboten werden.

Bereitschaft der Händler:innen notwendig

Natürlich wiegen die Händler:innen dabei ab, wie wichtig ihnen das Teilen der Informationen erscheint und ob es dadurch überhaupt einen Nutzen gibt, der nicht nur im Interesse der Konsument:innen liegt. Auch das Geschäft soll sich dadurch profitabel machen. Rabatt-Aktionen der Stadt könnten ein Beispiel sein. Möchte sich ein/e Händler:in nicht daran beteiligen, kommuniziert er/sie dies über die App und über die eigene Website des Geschäfts. Die App mit den Daten zu versorgen, würde in den eigenen Händen der Ladenbesitzer:innen liegen. So sieht es auch Professor Thomas Östreich, Fachspezialist für IT-Sicherheitsarchitekturen am BSI: „Die Technologien sind vorhanden. Bei Google Maps kann man auch die Auslastung von Geschäften anzeigen lassen. Für die Erfassung der Objekte stehen RFIDs, Bluetooth Beacon oder QR-Codes zur Verfügung.“

Datenhaltung auf das Nötigste reduzieren

Bei einer App, die die Auslastung in Innenstädten erfasst und hypothetisch nutzerbezogene Angebote auf der Startseite vorschlägt, ist der Schutz individueller Daten ein wichtiger Aspekt. Laut einer Analyse von Privacy International aus dem Jahr 2019 gaben im Schnitt über 60 Prozent der Smartphone-Apps Daten an Facebook weiter. Eine digitale Anzeige über die aktuelle Auslastung einer Innenstadt ist nicht möglich, wenn niemand bereit ist, Standortortdaten per Smartphone freizugeben. Beim Datenschutz müsse man schauen, welche Daten von Kund:innen und Händler:innen für deren Zielerreichung tatsächlich gebraucht würden, meint Simone Bürsner. Die Datenhaltung müsse auf das Mindeste, wie Standort-Tracking oder Cookies bei der In-App-Nutzung reduziert werden, damit man noch die Akzeptanz der Nutzer:innen erreicht. Sie sind diejenigen, deren Zustimmung laut Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) benötigt wird, um die Daten überhaupt nutzen zu dürfen. Ziel der Verordnung ist es, personenbezogene Daten wie Name, Geburtsdatum, Kontaktdaten, aufgerufene IP-Adressen und Standortdaten zu schützen.

Datenschutz bei der BLVRD-App

Der Freigabe und Nutzung personenbezogener Daten müssen Nutzer:innen immer zustimmen. Die Daten dürfen dann auch nur für strikt festgelegte Zwecke Anwendung finden, wie beispielsweise das Standort-Tracking in der Innenstadt-App, um die Auslastung an bestimmten Orten der Stadt darzustellen.
Auch in der BLVRD-App wird auf die Nutzerdaten geachtet. Das bestätigen die Entwickler im App-Store. Die Geräte-ID wird bei Zustimmung dazu gebraucht, die User:innen gezielt über weitere Apps und Websites zu verfolgen. Dadurch kann die App automatisch und gezielt Werbung für die individuellen Nutzer:innen schalten. Da die App bisher in zwei unterschiedlichen Städten nutzbar ist, wird auch die Standortfunktion benötigt, um die städtespezifischen Fashion-Angebote vorzuschlagen. In Hamburg wird der Idee bisher das Vertrauen geschenkt, aber sie befindet sich gerade erst in der Frühphase ihrer Entwicklung.

Mehr zum Thema Datenschutz lesen Sie hier. 

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So könnte eine zentrale Innenstadt-App aussehen. //Quelle: Johanna Jörgens

 

Teaserbild: Eine digitale Innenstadt-App – Wunschdenken oder bald Realität? //Quelle: Johanna Jörgens

Die Autor:innen

Johanna Maria Jörgens

Autorenfoto Louis Lembke

Louis Lembke

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