Videospiel oder schon Casino?

Videospiele entwickeln sich immer mehr zu casinoähnlichen Simulationen. Die sogenannten Lootboxen haben einen großen Anteil an dieser Entwicklung. Vor allem wegen des Wettstreits in Online-Sportspielen entsteht Suchtpotential und Pay2Win-Druck. // Von Niklas True und Fahad Ayache

Lootboxen sind immer häufiger in Videospielen anzutreffen. Nicht nur in Multiplayer-Spielen, auch in Singleplayer-Spielen werden sie angeboten. Die virtuellen Boxen enthalten zufallsbasierte Gegenstände mit unterschiedlicher Seltenheit und Wertung. Das können beispielsweise Verkleidungen, Ausrüstungsgegenstände oder Charaktere sein, die dem Spieler Vorteile verschaffen können.

Der Erfolg der Lootboxen

Entwickler wie 2k werben aggressiv für Lootboxen. So zum Beispiel in einem Trailer für den Spielmodus „MyTEAM“ der Basketballsimulation NBA 2k20. Dabei werden die virtuellen Boxen als Kernelement des Spiels präsentiert, in denen Gamer seltene Spielerkarten ziehen können. In den meisten Fällen können Lootboxen mit echtem Geld erworben werden. Das lohnt sich für die Unternehmen: Der Spielepublisher Electronic Arts (EA) hat im 2. Quartal 2020 insgesamt etwa 1,15 Millionen US-Dollar eingenommen. Davon waren rund 870 Millionen Dollar In-Game-Käufe, also Lootboxen, die im Spiel erworben wurden.

Lootboxen am Beispiel FIFA

Lootboxen können in Spielen verschiedene Namen haben. Im Sportspiel „FIFA21“ heißen sie zum Beispiel „Packs“. Diese braucht man, um benötigte Spielercharaktere für den Online-Spielemodus „Ultimate Team“ zu ergattern, womit Spieler mit selbst zusammengestellten Fußballteams gegeneinander antreten können. Allerdings erntet die Lootbox-Mechanik auch Kritik. Je mehr Geld in das Spiel investiert wird, umso höher ist die Chance, bessere Inhalte freizuschalten. Dadurch erhalten manche Spieler einen Vorteil gegenüber anderen. Bereits in der Vergangenheit fiel EA laut Dimitry Halley, Redakteur der Gamestar, negativ auf: "Star Wars: Battlefront 2 ist hier das Paradebeispiel, aufgrund von viel Kritik und medialer Präsenz. Aber vor allem in Spielen, die viel Geld einbringen, also bei FIFA oder Madden (NFL), wird dieses Prinzip weiterhin verfolgt."

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Glückspiel und Jugendschutz

Klaus Palenberg, Referent für Verbraucherrecht und Datenschutz bei der Verbraucherzentrale NRW e.V., sieht Lootboxen kritisch: „Jeglicher frühzeitige Kontakt von Jugendlichen mit Glücksspiel ist hoch riskant und gerade junge Menschen sind deutlich empfänglicher für die Verlockungen, die von Lootboxen und Ähnlichem in Videospielen ausgehen“. Er erklärt, dass junge Menschen noch nicht in der Lage seien, die Gewinnchancen richtig einzuschätzen. So würden sie im Zweifel dazu verleitet werden, immer wieder neue Lootboxen zu erwerben, um den erhofften Gegenstand doch noch zu erhalten. Diese Käufe können laut ihm zu erheblichen finanziellen Belastungen für Jugendliche führen.

Die Suchtspirale

Was Palenberg beschreibt, ist das Entstehen einer Suchtspirale, die vor allem bei fehlender Transparenz der Spielefirmen sehr gefährlich sein kann. Eine Lootbox zu öffnen und einen seltenen oder wertvollen Gegenstand zu erhalten, kann ein Glücksgefühl auslösen. Wird dieses „Ritual“ in regelmäßigen Abständen wiederholt, kann das unbewusst zu einer Gewöhnung führen. Es entsteht eine Toleranzentwicklung und das Glücksempfinden muss häufiger ausgelöst werden. Lootboxen zu öffnen wird zum Zwang und muss regelmäßig erfolgen - der Spieler verliert die Kontrolle und wird süchtig. Stress im Alltag oder fehlende Bestätigung können ein Verstärker für dieses Verhalten sein. Das Kaufen von Lootboxen steht im Fokus und nimmt einen großen Teil des Lebens ein, auch in finanzieller Hinsicht. Der Weg aus so einer Spirale hinaus ist je nach Härtefall mühevoll, so muss das Belohnungssystem des Körpers neu reguliert werden, da der Süchtige keine andere positive Bestätigung mehr kennt.

Verbot in anderen EU-Ländern

Seit 2018 sind Lootboxen in Ländern wie Belgien und den Niederlanden in der Fußballsimulation FIFA und einigen anderen Spielen verboten. Die jeweiligen Videospielkommissionen haben eine Gefährdung von Minderjährigen darin gesehen. In Deutschland bleibt es weiterhin offen, wie in Zukunft mit diesem Thema verfahren wird. Laut Palenberg ist es Aufgabe des Gesetzgebers, hier regulierend einzugreifen, soweit die Publisher die Forderungen nicht verbindlich aus eigenem Antrieb erfüllen. Gamestar-Redakteur Halley sagt: "EA hat auf der Spielemesse "E3 2018" angekündigt, keine Mikrotransaktionen mit Pay2Win-Mechanik einzusetzen. Ausgenommen ist jedoch ihr gesamtes Sportspielefranchise." Dies sei eine Reaktion auf die Kritik der Spieler und es sei an den Spielern, die Spielefirmen mit wenigen Verkaufszahlen abzustrafen. "Der Durchschnitt der Spieler akzeptiert jedoch die Tatsache, dass Videospiele, Lootboxen mit kosmetischen Gegenständen enthalten. Die Pay2Win Mechanik wird aber außerhalb von Sportspielen aufgrund von zu starkem Gegenwind der Community verschwinden."

Teaserbild: Einarmiger Bandit als Spielekonsole // Quelle: Fahad Ayache

Die Autoren

Fahad Ayache

Niklas True

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