Fotografie in neuem Licht

Fotografie war früher ein teures, wenig zugängliches Hobby. Spätestens seitdem es Smartphone-Kameras gibt, hat sich das geändert. Für viele ist das Handy sogar inzwischen die erste Wahl beim Fotografieren. Doch auch die "klassische" Fotografie ändert sich. Neue Systeme wie spiegellose Kameras wirbeln den Markt auf. Die Welt der Kameras befindet sich in einer Revolution. // Von Marcel Geitmann

Auf der Photokina 2018, der Leitmesse der Fotografie-Branche in Köln, deutete sich eine neue Ordnung an. Vom Einsteiger-Modell bis hin zur Profikamera gab es früher für beinahe jeden Neuzugang eine Bühne. Das war dieses Jahr anders. Bei den Kamerariesen wie Nikon, Canon und Panasonic stand zumeist jeweils nur ein Modell im Vordergrund: ein spiegelloses Kamerasystem. Für die meisten Kamerahersteller sind spiegellose Kameras weitestgehend ein unangetastetes Gebiet. Der wichtigste Unterschied zu den klassischen Spiegelreflexkameras ist, wie der Name sagt, der fehlende Spiegel. Dies führt zu Gewichts- und Größenersparnis. Außerdem fällt das charakteristische Klacken des Spiegels weg und es gibt weniger Verschleiß, da weniger mechanische Teile verbaut sind.

Ein neues Zeitalter

Die erste spiegellose Systemkamera mit austauschbaren Objektiven erschien im Jahr 2008 von Panasonic. In den darauffolgenden zwei Jahren folgten Hersteller wie Olympus, Samsung und Sony. Für viele Fotografen war ein Umstieg mit großen Problemen verbunden. So war es nicht möglich, die gleichen Objektive desselben Herstellers für beide Kamerasysteme zu verwenden. Wer mehrere tausend Euro in Spiegelreflexkamera-Objektive investiert hatte, zögerte also verständlicherweise bei einem Umstieg. Dazu war die Anzahl der verfügbaren Objektive für spiegellose Kameras anfangs noch sehr überschaubar.

Auf der Photokina standen beinahe nirgends mehr Spiegelreflexkameras im Rampenlicht. Die größte Neuerung dabei war, dass nun fast alle Hersteller spiegellose Modelle mit Vollformatsensor in ihrem Sortiment haben. Die zuvor erhältlichen spiegellosen Kameras verfügten beinahe alle über ein kleineres Sensorformat. Lediglich das Unternehmen Sony stellt dabei eine Ausnahme dar, das schon 2013 eine spiegellose Vollformat-Kamera im heutigen Stil auf den Markt brachte. Ein Vollformatsensor ist eines der größten und dementsprechend teuersten Sensorformate. Diese werden von Profis oder ambitionierten Hobbyfotografen bevorzugt, waren jedoch bisher fast ausschließlich in Spiegelreflexkameras zu finden. Ebenso ist das Objektivsortiment stark angewachsen. Die Fotografie erfährt somit einen bedeutenden Wandel - vor allem für professionelle Fotografen.

Kleiner, leichter, leiser

Thomas Brill, der seit 1997 als freier Fotojournalist arbeitet und tagtäglich mit Kameras zu tun hat, spürt die Auswirkungen dieser technischen Entwicklung. Die meisten seiner Arbeiten sind Konzert-Fotografien, die in Tageszeitungen, Magazinen und im Internet erscheinen. "Erst vor etwa zwei Wochen bin ich ebenfalls in den Bereich der spiegellosen Kameras eingestiegen. Der Vorteil für meine Arbeit ist hauptsächlich die wesentlich geringere Lautstärke der spiegellosen Geräte." Da Brill auch viele Klassik-Konzerte ablichtet, ist das laute Klacken einer Spiegelreflexkamera dabei oft störend. "Die neuen Kamerasysteme stehen den Spiegelkameras heute in nichts mehr nach. Klare Vorteile sind außerdem das geringe Gewicht und die handlichere Größe", so Brill. "Wenn ich plane eine Kamera mit in den Urlaub zu nehmen und nicht, wie die meisten, nur mit dem Smartphone in der Tasche verreise, dann ist das ein großer Faktor. Keiner hat mehr Lust beim Strandspaziergang mehrere Kilo an Kamerazubehör mit sich herumzutragen."

Könnte es also sein, dass neue Kamerasysteme die traditionellen Spiegelkameras in absehbarer Zeit komplett ablösen? "Das lässt sich aus meiner Sicht nicht gewiss sagen", antwortet Brill. "Zum Beispiel sind auch Vinylplattenspieler noch sehr gefragt, obwohl das praktische Musikstreaming von heute ganz klare Vorteile bietet. Viele fotografieren noch leidenschaftlich mit analogen Kameras und schwarz-weiß Filmen. Das geht dann eher in den Bereich der Kunst, doch hat auch dies durchaus seine Daseinsberechtigung."

Die Kamera in der Hosentasche

Klar ist also, dass das neue spiegellose Kamerasystem inzwischen die gleiche Leistung bietet und immer weiterentwickelt werden wird. Doch ist das nicht der einzige Faktor, der momentan in der Fotografie-Branche für Veränderungen sorgt. Nachdem Smartphones unser alltägliches Leben stark verändert haben, nehmen sie, seitdem sie über Kameras verfügen, auch zunehmend Einfluss auf die Welt der Fotografie. Sogar bei der Arbeit professioneller Fotografen ist das Smartphone inzwischen sehr wichtig. "Die gesamte Thematik Fotografie hat sich durch Smartphones ganz klar verändert", sagt Brill zu dieser Entwicklung in seiner Arbeitswelt. "Fotografen werden nach und nach überflüssig."

Die Ersparnis durch Smartphone-Fotos ist groß. Es gibt immer mehr Fotos in Zeitungen und Magazinen, die die Redakteure einfach mit dem Smartphone selbst geschossen haben. Als das iPhone 7 auf den Markt kam, ging es sogar so weit, dass manche Redakteure grundlegend für das Fotografieren mit dem iPhone ausgebildet wurden. "Der Fotograf saß dann entweder gelangweilt in der Redaktion oder konnte gar nicht mehr beschäftigt werden, während der Redakteur zum Beispiel die Preisverleihung, über die er berichtete, einfach selbst mit dem Handy fotografierte", erinnert sich Brill. Auch auf Konzerten sind Journalisten, die mit dem Handy vor der ersten Reihe stehen, ein häufigeres Bild geworden. "Diese Fotos erscheinen dann sogar regelmäßig in großen Zeitungen oder auf deren Internetseiten. Früher wurden dafür Fotografen engagiert."

Smartphone als Fotokamera bei Konzerten, Quelle: Pixaby CC0, Freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis nötig

Smartphone als Fotokamera bei Konzerten, Quelle: Pixaby CC0, Freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis nötig

Revierkampf der Kameras

Diese Entwicklung zeigte sich auch bei der Photokina. Erstmals war mit Huawei ein reiner Smartphone-Hersteller mit einem großen Bereich auf der Messe vertreten. Zwei zuvor separat betrachtete Aspekte des Fotografierens verschmelzen zunehmend. Das allgemeine Verständnis von Fotografie entwickelt sich dadurch weiter. Die Welt der Fotografie ist für viele Menschen zugänglicher geworden und es werden mehr Fotos gemacht als je zuvor. Alleine in den letzten fünf bis zehn Jahren wurden Smartphones so weit entwickelt, dass sie einigen Spiegelreflex- oder Kompaktkameras in nichts mehr nachstehen oder sogar bessere Ergebnisse produzieren.

Christoph Krösmann, Pressesprecher des Bundesverbandes für Informationswissenschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), spricht von einer voraussichtlich anhaltenden Entwicklung. "Der Trend wird sicherlich weitergehen, dass Kompaktkameras immer mehr verschwinden. Das liegt natürlich daran, dass Handykameras immer besser werden." Sich Gedanken darüber zu machen, wie man den nächsten Urlaub fotografiert, ist also ein Thema der Vergangenheit. "Inzwischen besitzen die meisten Menschen ein Smartphone und benötigen keine zusätzliche Kamera mehr. Im Gegenzug greifen die meisten bei Fotokameras zu hochwertigen Geräten und dafür wird auch inzwischen im Schnitt mehr Geld ausgegeben als früher", beschreibt Krösmann die aktuelle Situation auf dem Markt.

Die Kamerahersteller müssen also auf diese Entwicklung reagieren. "Solange Kompaktkameras noch Käufer finden, werden diese auch weiterhin produziert. Allerdings wird auch hierbei, um die Lücke zwischen hochwertigen Kameras und Smartphones zu schließen, beispielsweise auf Spiegelreflex-Einsteigermodelle gesetzt." Insgesamt ist sogar zu beobachten, dass die Verkäufe solcher Einsteigermodelle tendenziell steigen. Diese zeichnen sich durch relativ geringe Preise und leichte Bedienbarkeit aus. Außerdem ist trotz der Smartphone-Entwicklung nicht außer Acht zu lassen, dass Kameras nach wie vor klare Vorteile liefern, was mit der Funktionsweise von Kameras und den Unterschieden zu Smartphone-Kameras zusammenhängt.

Der "kleine" Unterschied

Jeder der schon einmal versucht hat bei einer dunklen Party, einem Konzert oder einen Nachthimmel mit dem Handy zu fotografieren, wird festgestellt haben, dass das Ergebnis selten den Vorstellungen entspricht. Vergleicht man dann einmal die Kamera seines Smartphones mit einem richtigen Kameraobjektiv, ist das natürlich nicht überraschend. Der Größenunterschied ist dabei erheblich und die Schlussfolgerung logisch: weniger Licht. Durch die wesentlich kleinere Linse und der somit kleineren Blendenöffnung in Smartphone-Kameras fällt weniger Licht auf den Sensor. An dieser Stelle ist ebenfalls der Größenunterschied ausschlaggebend. Der Bildsensor des neuen iPhone XS ist 7,01 x 5,79 Millimeter groß. Vergleicht man das mit den 36 x 24 Millimeter eines Vollformatsensors, der in den neuen Top-Kameramodellen verbaut ist, wird ein deutlicher Unterschied erkennbar. Dadurch kann mehr Licht auf den Sensor fallen, da dieser schlicht mehr Fläche für das Licht bietet. Ein weiterer Faktor ist hierbei auch die maximale Lichtempfindlichkeit. Der höchstmögliche ISO-Wert des aktuellen iPhones liegt bei 2304; der des aktuellen Nikon Top-Modells Z7 liegt beispielsweise bei 25600. (Siehe Infobox)

Dies zeigt also, wieso Smartphones technisch nicht in absehbarer Zeit an die Leistungsfähigkeit einer normalen Kamera herankommen können. Dabei spielt die Weiterentwicklung von Software eine kleinere Rolle, da dabei physikalische Gegebenheiten wichtig sind. Dennoch hatte die Entwicklung der Smartphones einen Einfluss auf die "alte" Welt der Kameras. Kleine Digitalkameras sind quasi überflüssig geworden. Die großen Kamerahersteller müssen verstärkt auf Einsteigermodelle setzen, um "Smartphone-Fotografen" für echte Kameras begeistern zu können. Gleichzeitig müssen diese inzwischen ebenfalls wesentlich leistungsfähiger werden, um Vorteile gegenüber Smartphone-Kameras bieten zu können. Ganz gleich, ob wir in Zukunft noch mehr Smartphone-Hersteller, noch weniger Kompaktkameras und vielleicht sogar vermehrt spiegellose Einsteiger-Modelle sehen werden; klar ist, dass Fotografie sich momentan rasant ändert und kein Ende dieser Entwicklung in Sicht ist. Die Photokina wird vermutlich wieder einen guten Anhaltspunkt liefern.

Wie funktioniert Fotografie?

Bei den vollautomatischen Kameras in Smartphones und der ausgefeilten Software in "normalen" Kameras, rückt diese Frage immer mehr in den Hintergrund. "Einfach Knipsen" ist zum Standard geworden. Software löst lästige Probleme, wie die richtige Belichtungszeit, ISO-Wert oder die passende Blende für das Motiv zu finden. Das sind die grundlegenden Faktoren beim Fotografieren mit einer Kamera. Wie das Wort Fotografie (aus dem griechischen für photos = Licht und graphein = schreiben) bereits zeigt, geht es um Licht, das die Kamera aufnimmt und woraus am Ende ein Bild entsteht.

Belichtungszeit:

Sie gibt an, wie lange der Sensor oder der in die Kamera eingelegte Film von Licht getroffen wird. Dadurch kann zum Beispiel Einfluss darauf genommen werden, ob bei kurzer Belichtungszeit, eine Bewegung "eingefroren" oder bei längerer Belichtungszeit Unschärfe entsteht, wodurch Bewegung in einem Foto dargestellt werden kann.

Digitaler Bildsensor

ISO-Wert:

Gibt an, wie empfindlich der Sensor auf Licht reagiert und somit wie lange man ihn Licht aussetzen muss. Die Lichtempfindlichkeit des Sensors oder Films lässt sich anhand des Beispiels eines Blatt Papiers erklären. Lässt man ein Stück weißes Papier in der Sonne liegen, so wird es sich gelb verfärben. Der ISO-Wert würde in diesem Beispiel darauf Einfluss nehmen, wie lange es dauern würde, damit sich dieses Blatt gelb verfärbt. Der ISO-Wert entspricht in diesem Beispiel der Dicke des Papiers, das in die Sonne gelegt wird. So würde ein hoher ISO-Wert bzw. ein dünnes Papier dazu führen, dass das Papier bereits nach kurzer Zeit gelb verfärbt ist. Ein um die Hälfte geringerer ISO-Wert bzw. doppelt so dickes Papier würde bewirken, dass das Blatt erst nach einer doppelt so langen Zeit genau so stark vergilbt ist.

Blende in einem Objektiv bei verschieden großer Öffnung

Blende:

Eine fotografische Blende ist jedem (zumindest unbewusst) bekannt, der schon mal einen James Bond Film gesehen hat. Der Geheimagent feuert im Vorspann eine Kugel durch die kreisrunde Öffnung, die aus mehreren Lamellen besteht, die sich übereinander schieben und somit größer und kleiner werden kann. In der Fotografie „fliegt“ Licht anstatt Projektile hindurch und bestimmt bei verschieden großer Öffnung ebenfalls, wie viel Licht beim Sensor der Kamera ankommt.

Spiegelreflexkameras und spiegellose Kameras: 

Sowohl bei klassischen Spiegelreflexkameras als auch bei den neuen spiegellosen Kameras sind das alle grundlegenden Faktoren, die relevant sind, damit ein Foto entstehen kann. Der Unterschied besteht in der Funktionsweise der Kameras.

Spiegelreflexkameras funktionieren wie der Name schon sagt, durch einen Spiegel, der vor dem Sensor liegt und das Licht direkt durch den Spiegel nach oben leitet. Durch ein Glasprisma umgeworfen, wird das Bild durch die Linse direkt in den Sucher der Kamera projiziert, durch den man mit dem Auge schaut. Schießt man nun ein Foto, so klappt der Spiegel für die Dauer der eingestellten Belichtungszeit nach oben, wodurch das charakteristische "Klacken" entsteht. Das Licht fällt, wenn der Spiegel oben ist, auf den dahinterliegenden Sensor und es entsteht ein digitales Bild.

Spiegellose Kameras funktionieren voll elektronisch und nicht auf optischer Basis; ohne Spiegel, ohne schweres Glasprisma und ohne das laute, teils störende Klackgeräusch. Dabei fällt das Licht dauerhaft direkt auf den Sensor und der Sucher ist nunmehr ein kleines Display, das zu jeder Zeit zeigt, "was die Kamera sieht". Dadurch besteht nun auch die Möglichkeit, mithilfe der Software der Kamera in Echtzeit zu simulieren, wie das Foto mit den aktuellen Einstellungen aussehen wird. 

Teaserbild: Spiegellose Kamera versus Smartphone, Foto: Marcel Geitmann

Der Autor:

Autorenfoto von Marcel Geitmann

Marcel Geitmann

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