Digitales Handwerk

Durch zunehmende Digitalisierung im Handwerk müssen Betriebe ihre internen Prozesse grundlegend überdenken. Für viele Betriebe wird der Umstieg jedoch durch fehlende Kompetenzen, hohe Kosten oder Bedenken im Datenschutz erschwert. //Von Niklas Broichhagen und Victoria Supp

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Digitalisierung ist als abstrakter Begriff nur schwer einzugrenzen. Während die Bezeichnung für manche schon beim Erstellen einer Webseite für den Handwerksbetrieb anfängt, definieren andere erst komplexe Automatisierungsmaßnahmen als professionelle Digitalisierung. Sabrina Schöllgen war als Prokuristin bei Schöllgen Haustechnik umfangreich in die digitalen Umstellungen des Sanitär-Heizung-Unternehmens involviert. Unter Digitalisierung versteht sie die digitale Abbildung aller Abläufe des Unternehmens: "Ein digitaler Vorgang ist für uns Digitalisierung. Die einfache Verwendung von Computerprogrammen oder das Schreiben von Briefen mit Microsoft Word fällt für uns noch nicht unter den Begriff." Trotzdem seien auch Aspekte wie eine Internetpräsenz oder soziale Medien wichtige Bestandteile. "Ich würde sagen, das ist so eine Grundvoraussetzung. Wer keine Internetseite hat, der wird nicht gefunden. So ist es schwierig, in Zukunft weiterhin im Handwerk zu überleben", erklärt Schöllgen.

Anwendungsbereiche im digitalen Handwerk

Die spezifische Anwendung von technischen Entwicklungen der sogenannten "Industrie 4.0" unterscheiden sich jedoch stark zwischen den einzelnen Handwerksbranchen. Bäcker können durch Automatisierung ihrer Teigknetmaschinen und Öfen unter anderem Energie und Zeit sparen. Das Malerhandwerk kann durch digitale Beratung profitieren: Kunden können ihre Aufträge online konfigurieren und das Ergebnis in einer Vorschau am eigenen Computer betrachten. Architekten legen hingegen zunehmend auf Möglichkeiten der virtuellen Realität. Als Kunde ist es so zum Beispiel möglich, sich ein geplantes Bauvorhaben bereits vor dem ersten Spatenstich über ein Virtual-Reality-Headset anzusehen.

Sicherheit und Kosten halten Betriebe ab

Doch auch wenn die Digitalisierung neue Chancen bringt, stehen viele Handwerksbetriebe dem Wandel noch skeptisch gegenüber. Eine Statistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und von Bitkom Research zeigt, dass insgesamt 77 Prozent der 504 befragten deutschen Handwerksbetriebe die Sorgen um IT-Sicherheit und Datenschutz zu den größten Hemmnissen der Digitalisierung im Handwerk zählen.

Hemmnisse, die 2017 laut 504 deutschen Handwerksbetrieben am stärksten für die Verlangsamung der Digitalisierung im Handwerk sorgen.

Hemmnisse, die 2017 laut 504 deutschen Handwerksbetrieben am stärksten für die Verlangsamung der Digitalisierung im Handwerk sorgen. Quelle: ZDH; Bitkom Research

Digitale Kompetenzen und Kosten als Probleme

Ebenso gehören laut der Statistik die hohen Investitionskosten und die mangelnde Digitalkompetenz der Mitarbeiter zu den stärksten Hindernissen. Schöllgen Haustechnik begann 2016 mit umfangreichen Digitalisierungsschritten und brauchte etwa eineinhalb Jahre bis die Umstellung vollständig abgeschlossen war. Sabrina Schöllgen zieht Bilanz: "Natürlich mussten für Software, Schulungen und zahlreiche Anschaffungen von Tablets oder PCs große Summen investiert werden. Insgesamt haben sich die Kosten aber definitiv gelohnt." Schwierigkeiten von Seiten der Mitarbeiter könne sie nachvollziehen. Oft seien ältere Menschen zu Beginn unsicher oder überfordert im Umgang mit neuer Software.

Während sich einige Konsumenten über schnellere Bestellungsabläufe durch Smartphone-Apps freuen, gibt es aber auch Kunden, die von der digitalen Umstellung überfordert sind. Laut einer weiteren Statistik von Bitkom Research von 2017 nutzen nur 41 Prozent der Deutschen über 64 Jahren ein Smartphone. Vor allem ältere Menschen könnten daher durch fehlende Smart-Devices gar nicht mehr in der Lage sein, alle Leistungen eines Unternehmens wahrzunehmen.

Kompetenzzentren als Einstiegshilfe

Daryoush Daniel Vaziri leitet eines von insgesamt 23 Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren in Deutschland. Dieses staatlich geförderte Netzwerk hilft besonders kleinen und mittelständigen Unternehmen mit kostenloser Beratung bei Themen der Digitalisierung. Laut Vaziri sei es wichtig für Unternehmen zu erkennen, welche digitalen Services einen nachhaltigen Vorteil für die Konsumenten erzeugen würden.

An dieser Stelle versuchen die Kompetenzzentren Abhilfe zu schaffen. Dabei stehen der Wissenstransfer und die Kompetenzvermittlung im Vordergrund. Beim Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 Usability, das aktuell von Vaziri geleitet wird, liegt der Schwerpunkt auf der Nutzererfahrung. Kleine und mittelständige Unternehmen erhalten Einstiegshilfen, indem sie unter anderem erfahren, welche Digitalisierungsmethoden und -instrumente sich für ihre Vorhaben am besten eignen. Auch Unternehmen, die bislang nur wenig Zugang zu digitalen Anwendungen hatten, würden von der Unterstützung der Kompetenzzentren profitieren, so Vaziri.

Auch das Thema Datensicherheit sei wichtig. Ob ein Unternehmen die Daten lokal oder in einer Cloud speichert und ob ein möglicher Cloud-Server in Deutschland oder im Ausland stehe seien aber Faktoren, die das Sicherheitsrisiko erhöhen beziehungsweise verringern könnten. Hundertprozentige Sicherheit vor Hackerangriffen ließe sich jedoch nie erreichen. Aus diesem Grund sollten Kunden stets genau prüfen, wo und wie sie ihre Daten weitergeben würden.

Gesteigerte Effizienz durch Industrie 4.0

Vaziri ist jedoch der Meinung, professionelle Digitalisierung kann vor allem die Effizienz eines Unternehmens steigern: "Wenn ich zum Beispiel sämtliche Daten zu meinen Geschäftsprozessen digital abrufbar habe, kann ich meine Reaktionszeiten stark verbessern." Zudem sei es einfacher möglich, unternehmensinterne Prozesse transparent zu machen und zu analysieren. Laut Vaziri könne man durch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen leichter erkennen und nachvollziehen, welche Wirkungen beispielsweise am Markt entfaltet würden, wie lange ein Vorgang dauere oder was mögliche Fehlerquellen im Prozess sein könnten.

Dennoch lohne sich Digitalisierung nicht gleichermaßen in jeder Branche. "Die Frage ist, ob es durch die Digitalisierungsschritte auch einen spürbaren Mehrwert gibt", erklärt Vaziri. Im Endeffekt sei also die Wirtschaftlichkeit ein zentraler Faktor für die Entscheidung, ob sich digitale Anwendungen lohnen würden. Auch ein kleiner Friseurbetrieb könne beispielsweise durch einen Online-Terminkalender oder eine App, die in Echtzeit anzeige, welcher Friseur gerade Zeit habe, digitaler werden.

Digitalisierung - noch nicht am Ziel angekommen

Digitalisierung ist also eine Entwicklung, der sich zukunftsorientierte Handwerksbetriebe nur schwer entziehen können. Und das obwohl die Randbedingungen noch nicht ideal sind: hohe Kosten halten viele Handwerksbetriebe vom Umstieg ab und die DSGVO unterstützt zwar die Datensicherheit, ist mit ihrem hohen Bürokratieaufwand jedoch ebenfalls eine Hürde. "Die neuen Regelungen lassen sich nur schwer mit der alltäglichen Praxis eines Handwerkbetriebs vereinen", erklärt Sabrina Schöllgen.

Was ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)?

Hinter der DSGVO verbirgt sich eine neue Verordnung der Europäischen Union, an die sich seit dem 25. Mai 2018 alle Wirtschaftsteilnehmer im EU-Raum halten müssen. Mit dieser soll in Zukunft die Sicherheit von personenbezogenen Daten stärker gewährleistet werden.

Unter anderem sieht die DSGVO vor, dass Verbraucher umfangreicher über die Verwendung und Speicherung ihrer Daten informiert werden. So müssen sich Unternehmen beispielsweise eine ausdrückliche Zustimmung für die Weiterleitung der personenbezogenen Daten ihrer Kunden einholen.

Viele Unternehmen befürchten besonders wegen der Nachweispflicht einen riesigen bürokratischen Mehraufwand. Da Verstöße gegen die Verordnung in Zukunft mit hohen Bußgeldern bestraft werden sollen, werden Unternehmen aber gezwungen, großen Wert auf die Datensicherheit zu legen.

Teaserbild Quelle: Pixabay

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Niklas Broichhagen

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