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Kampf dem Sekundenschlaf

Die Unfallstatistiken zeigen: Müdigkeit am Steuer führt immer häufiger zu Unfällen, Assistenzsysteme sollen helfen. Doch inwiefern können diese Systeme dazu beitragen, solche Unfälle zu vermeiden?//Von Vanessa Henke und Patrick Wolf

Ende Januar kam es zu einem Unfall in Donaueschingen, bei dem ein 23-Jähriger auf einer Bundesstraße während eines Überholvorganges in einen Sekundenschlaf verfiel und dabei seitlich mit einem Sattelzug kollidierte. Verletzt wurde hierbei glücklicherweise niemand, es entstand allerdings ein Sachschaden in Höhe von ungefähr 3.500 Euro. Unfälle wie dieser zeigen, dass Übermüdung am Steuer eine deutliche Gefahr darstellen kann.

Von 2013 bis 2016 stieg die Anzahl von Unfällen mit Personenschaden, verursacht durch Übermüdung, um fast 200 Unfälle. Zur Vermeidung stehen unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung. Einerseits wird an der Straßeninfrastruktur gearbeitet, wobei Rüttelstreifen auf Autobahnen eingesetzt werden, die beim Überfahren Lärm und Vibration verursachen und als besonders effektiv gelten. Weiterhin wird an einer nicht-monotonen Straßenraumgestaltung gearbeitet. Andererseits soll der Einsatz von Fahrerassistenzsystemen in Kraftfahrzeugen dafür sorgen, dass die Zahlen wieder sinken.

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Abbildung 1: DESTATIS: Unfallstatistik von 2013-2016, erstellt von Vanessa Henke

Müdigkeit am Steuer hat vielfältige Ursachen

In der öffentlichen Wahrnehmung passieren Unfälle durch Übermüdung hauptsächlich in der Nacht. Tatsächlich werden auch tagsüber viele Unfälle durch Müdigkeit verursacht. Beim Menschen besteht in der Regel ein biologisches Tief zwischen zwei Uhr und fünf Uhr morgens und nachmittags um circa 14 Uhr. Genau zu diesen Uhrzeiten passieren besonders viele Unfälle. Wie stark der Einfluss von Müdigkeit auf die Aufmerksamkeit ist, zeigt zudem ein Vergleich mit Alkoholmengen im Blut: Laut dem ADAC entspricht eine Wachphase von 24 Stunden ungefähr einem Blutalkoholgehalt von einem Promille.

Übermüdung im Straßenverkehr hat vielfältige Ursachen. Berufskraftfahrer über 50 Jahren leiden beispielsweise häufig am Schlafapnoe-Syndrom (SAS). Bei dieser Erkrankung sorgen Atemaussetzer in der Nacht dafür, dass die Sauerstoffsättigung im Blut gefährlich abfällt, wodurch der Schlaf nicht erholsam ist. Auch Dr. Kristina Stöwe, Hausärztin für Allgemeinmedizin, nennt das Syndrom neben anderen möglichen Ursachen: "Müdigkeit am Steuer kommt oft bei Menschen vor, die unter Schlaf- oder Schilddrüsenstörungen oder auch an Unterzuckerung leiden." Bei einer Schilddrüsenunterfunktion entsteht im Körper ein Hormonmangel, der zu einer verminderten körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit führt. Dies kann zu Sekundenschlaf am Steuer führen. "Es gibt außerdem viele Medikamente, die Müdigkeit als Nebenwirkung haben", sagt Stöwe und ergänzt, dass ach psychische Erkrankungen Müdigkeit verursachen könnten.

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"SafeCap" als Innovation

Assistenzsysteme in Kraftfahrzeugen sollen mit Hilfe unterschiedlicher Methoden dazu beitragen, die Unfallzahlen zu reduzieren. Nicht nur in Deutschland wird an Möglichkeiten zur Vermeidung von Unfällen durch Übermüdung gearbeitet, sondern auch in anderen Ländern.

In Brasilien hat Ford in Zusammenarbeit mit der Kreativagentur GTB das "SafeCap" entwickelt. Die Produktion der "SafeCap" wurde gestartet, da in älteren LKW nur unter großem Aufwand und kostenintensiv Assistenzsysteme nachgerüstet werden können. Die "Safe-Cap" besteht aus einer einfachen Trucker-Cap, einem kleinen Rechner und Sensoren. Die Sensoren nehmen wahr, ob der Fahrer des Wagens einschläft, indem sie die Kopfbewegungen verfolgen. Dabei werden mit Hilfe eines Gyroskops nur Bewegungen berücksichtigt, die beim Fahren unüblich sind. Licht- und akustische Signale sowie Vibration sorgen dann dafür, den Fahrer aufzuwecken, bevor er einen Unfall baut. Die "Cap" ist nicht in der Lage, einen automatischen Bremsvorgang einzuleiten, daher muss der Fahrer immer selbst auf die Signale reagieren. Auf mehreren Veranstaltungen und Messen wurde das Produkt angefragt, deshalb ist mittlerweile geplant, die "SafeCap" weltweit zu vertreiben.

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Fahrassistenzsysteme im Überblick

Müdigkeitserkennung:

Es gibt eine Müdigkeitserkennung, die den Fahrer frühzeitig warnt, bevor ihm seine Müdigkeit überhaupt bewusst wird. Bei Nachtfahrten oder längeren Fahrten ist dieser Assistent eine gute Unterstützung. Ab einer Geschwindigkeit von circa 65 km/h wird das Fahrverhalten ausgewertet, um eine mögliche Ermüdung zu erkennen.
Dazu gehören bei Mercedes beispielsweise Lenkverhalten, Pedalnutzung und Querbeschleunigung. Weicht einer dieser Faktoren von einem normalen Verhalten ab, stuft das System den Fahrer als unkonzentriert ein. Bei Lexus wird mittels Kamerasensorik auf die Lenksäule die Kopfdrehung ausgewertet. Volvo erfasst neben der Lenkradbewegung zusätzlich noch durch Videotechnik die Fahrweise zur Straßenmarkierung. Im Falle von Abweichungen warnt der Assistent durch ein optisches und akustisches Signal und fordert den Fahrer auf, eine Pause einzulegen. Werden die Signale ignoriert, wiederholen sie sich nach einiger Zeit. Bei Mercedes und Lexus wird die Lenkrad- und Fahrzeugbewegung mit einem zuvor ermittelten Durchschnittswert verglichen, wodurch die Erfassung und Warnung exakter ist.

Automatische Distanzregelung:

Zu geringer Abstand zum Vorausfahrenden ist neben der Müdigkeit ein weiterer Grund für viele Unfälle. Das Assistenzsystem erkennt einen zu geringen Abstand und bremst das Auto automatisch ab, bis der richtige Abstand wiederhergestellt ist. Grund dafür muss nicht der Fehler des Fahrers sein, das vorausfahrende Auto kann beispielsweise überraschend langsamer werden. Der Raum vor dem Auto wird durch eine Frontkamera und teilweise auch durch Radar gescannt. Die Unterstützung der automatischen Distanzregelung geht bis zum Stillstand.

Spurhalte-Assistent:

Eine Auswirkung von Müdigkeit kann beispielsweise das Abkommen von der Fahrbahn sein. Um solche Situationen zu verhindern, kann ein Spurhalte-Assistent helfen. Ab einer Geschwindigkeit von 65 Studenkilometern wird durch eine Kamera im Innenspiegel des Autos die Fahrbahnmarkierung gescannt und erkannt. Nach einiger Zeit der Nutzung lernt das System sogar die bevorzugte Fahrlinie des Fahrers und passt sich dieser an. Ein aktives Gegenlenken des Fahrers oder aber auch das Setzen des Blinkers, um zum Beispiel einen Überholvorgang vorzunehmen, setzt den Assistenten in einen passiven Modus.

Spurwechsel-Assistent:

Wird ein Spurwechsel angestrebt und eventuell ein Spurhalte-Assistent überstimmt, beginnt sofort der Aufgabenbereich eines weiteren Assistenten. Die Bereiche hinter und neben dem eigenen Fahrzeug werden durch Sensoren im Heck gescannt und beobachtet.
Setzt der Fahrer zu einem Spurwechsel an während sich ein anderes Fahrzeug in einem der beobachteten Bereiche befindet, so wird der Fahrer sofort gewarnt. Ein optisches Signal im Außenspiegel zeigt die mögliche Gefahr an. Dieses Signal kann sich verstärken, wenn es ignoriert und der Spurwechsel trotzdem weiter ausgeführt wird.

Heinz-Gerd Lehmann, Technikexperte beim ADAC, bestätigt, dass Assistenzsysteme zur Aufmerksamkeitsüberwachung Unfälle reduzieren können: "Man kann in jedem Fall sagen, dass Fahrassistenzsysteme dazu beitragen können, Unfälle zu vermeiden. Sie müssen sich dann erst einmal auf den Fahrer einstellen und das Fahrverhalten analysieren, damit sie dann, falls es nötig wird, auch reagieren können - das ist die Grundvoraussetzung." Die Systeme würden auch immer weiter verbessert, weil sie als Vorstufen für autonomes Fahren gelten, wozu im Moment verstärkt geforscht und experimentiert werde.
Die ständigen Verbesserungen der Automobilindustrie im Bereich der Assistenzsysteme können eine Unterstützung für müde und gestresste Fahrer darstellen.  Entgegen der allgemeinen Meinung hilft Kaffee übrigens nicht verlässlich gegen Müdigkeit. Koffein kann die Aufmerksamkeit zwar kurzfristig erhöhen, ist jedoch kein zuverlässiges Hilfsmittel bei starker Müdigkeit.

Geschichte der Sicherheitstechnik

Anfang der zwanziger Jahre haben sich die Fahrer von Autos eher weniger Gedanken um die Sicherheit ihrer Fahrzeuge gemacht. Doch die fünfziger Jahre bescherten durch wachsenden Wohlstand nahezu jedem die Möglichkeit, ein Auto zu besitzen. Durch das rasant ansteigende Verkehrsaufkommen stiegen unausweichlich auch die Zahlen der Unfälle, wodurch Sicherheit in Autos zum Thema wurde.

Im Jahre 1951 entwickelte Daimler-Benz die Knautschzone. Ziel war es, dass die Festigkeit des Fahrgastraums zu den Enden des Fahrzeugs abnimmt. Eine der wichtigsten Entwicklungen zum Thema Sicherheit kommt aus Schweden. Hersteller Volvo und Sicherheitsexperten erkannten das Potenzial des Dreipunktgurtes und stellten diesen 1959 vor. Der Sicherheitsgurt sollte aus gutem Grund schnell zu einem Pflichtbestandteil in Autos werden. Besonders viele Verkehrstoten gab es Anfang der siebziger Jahre. Ab diesem Zeitpunkt begannen die Hersteller, mit dem Thema Sicherheit zu werben und somit das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Zur gleichen Zeit war der Airbag in den USA bereits fester Bestandteil der Fahrzeugsicherheit, dies wurde in Deutschland jedoch noch kritisch betrachtet. Erst 1981 verbaute Mercedes-Benz als erster deutscher Hersteller den Airbag serienmäßig. In den folgenden Jahren begann die Zeit der unsichtbaren Fahrhelfer. Einer davon ist das Antiblockiersystem (ABS), das bei hektischen Bremsmanövern hilft.
Der erste PKW mit serienmäßig verbautem ABS war der Ford Scorpio, der 1985 auf den Markt kam. Zwei Jahre später folgte Volkswagen mit der Möglichkeit, das ABS gegen einen hohen Aufpreis in PKW einzubauen.
In den neunziger Jahren folgte dann das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP), das serienmäßig verbaut wurde. Inzwischen werden in immer kürzeren Abständen Sicherheitssysteme von Herstellern vorgestellt.

Teaserbild: Müdigkeit am Steuer ist häufiges Unfallrisiko, Foto: Colourbox

Die Autoren:

Patrick Wolf

Vanessa Henke

Vanessa Henke

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