E-Sport: Die Branche hinter dem Bildschirm

E-Sport ist schon seit längerer Zeit nicht mehr nur einer eingeschworenen Fangemeinde ein Begriff. Dass Deutschland Potenzial hat, sehen auch große Firmen und Vereine und beteiligen sich immer mehr an dem millionenschweren Geschäft. Doch auch Einzelpersonen profitieren von dem Hype. //Von Sarah Marie Lange und Jonathan Kemper

Eni muss keinen weiten Weg zu seinem Arbeitsplatz hinlegen. Der Österreicher setzt sich vor den heimischen Computer und spielt ein Computerspiel. Doch das nicht nur, um sich einfach die Zeit zu vertreiben. Der 23-Jährige hat inzwischen sein Studium geschmissen, um in Vollzeit Menschen vor seiner Webcam auf der Plattform Twitch.tv zu unterhalten und sie beim Zocken über seine Schulter schauen zu lassen. Und dafür hat er einen strikten Zeitplan. Schon ab 9 Uhr morgens schaltet er auch unter der Woche die Kamera ein und startet "League of Legends", das erfolgreichste Onlinespiel der E-Sport-Szene. Einer aussichtsreichen Karriere als Profispieler hat er jedoch den Rücken gekehrt. Noch in seiner Schulzeit wurden professionelle Organisationen auf ihn aufmerksam und boten ihm an, für sie zu spielen. Nach mehreren Teams ist er nun schließlich bei "Fnatic" gelandet - allerdings nicht als Spieler, sondern als "Influencer", wie es offiziell heißt. Einen Einblick in das Leben des Fnatic-Profispielers "sOAZ" erlangte technikjournal 2014: Profigaming als Vollzeitjob. Fnatic ist eine der populärsten E-Sport-Organisationen aus Europa und tritt international in Turnieren an. Die Weltranglisten werden hauptsächlich von asiatischen Ländern dominiert, China und Korea sind ganz vorne mit dabei.

Boomender Markt

Twitch.tv ist eine der vielen Streaming-Plattformen, auf denen Computerspiele von Spielern wie Enqiang "XoYnUzi" Zhou, genannt "Eni", gestreamt werden. Mit täglich fast zehn Millionen Besuchern und zwei Millionen Streamern gehört Twitch.tv neben YouTube und Smashcast zu den einflussreichsten Plattformen im E-Sport-Bereich. Das erkannte auch der Versandriese Amazon und übernahm das Livestreaming-Videoportal im Jahr 2014 für ungefähr eine Milliarde US-Dollar. Insgesamt verfolgten laut dem Marktforschungsunternehmen Newzoo 2016 rund 323 Millionen Menschen weltweit E-Sport-Matches – in Deutschland sind es knapp 11 Millionen. Das Finale der "League of Legends World Championship" erreichte 2016 eine Einschaltquote von 43 Millionen Zuschauern, die auf über 23 Plattformen und 18 Sprachen das Match verfolgen konnten. Inzwischen steigen auch klassische Sportsender wie Sport1 in die Szene ein. So zeigen sie E-Sport-Matches wie das Sommer-Finale der "European League of Legends Championship Series" zur Sendezeit mit hohen Einschaltquoten.

Der E-Sport in Zahlen Finanzen

Lukrativer Markt: Die Zahlen der Vergangenheit sind schon beachtlich, doch für die Zukunft sehen Experten noch weit höhere voraus. Grafik: Jonathan Kemper/Technikjournal.de/Daten: Statista

So zeigen sie E-Sport-Matches wie das Sommer-Finale der "European League of Legends Championship Series" zur besten Sendezeit. Die Digitalisierung vereinfachte den Austausch über Länder- und Zeitzonen hinweg und ist eine der Hauptursachen des E-Sport-Erfolgs. Breitband-Internetzugänge und leistungsfähigere Hardware ermöglichten zu Beginn des 21. Jahrhunderts den Aufstieg von Online-Videospielen.

Digitalisierung macht es möglich

Zu Beginn der Videospiel-Wettkämpfe in den Siebzigern konnte sicher noch keiner erahnen, dass Videospieler, die anfänglich Preise wie ein Jahresabonnement beliebter Zeitschriften gewannen, irgendwann einmal Preisgelder im achtstelligen Bereich einstreichen würden. Bei über 24 Millionen US-Dollar lag die Preisgeldsumme des "The International"  im Jahr 2017 – dem größten E-Sport-Wettkampf des Spieles "Dota 2". Bald soll der E-Sport auch bei den olympischen Spielen mitmischen. Anfang 2017 wurde bekanntgegeben, dass E-Sport eine offizielle Disziplin bei den Asienspielen 2022 in Hangzhou sein wird. In Deutschland wäre dies momentan noch nicht möglich, denn dazu fehlt die Anerkennung des E-Sports durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Sport.

Inoffizieller Sport

Obwohl insgesamt über 45 Länder E-Sport als legitime Sportart anerkannt haben, darunter auch EU-Staaten wie Irland, Italien, die Niederlande und Schweden, gibt es noch keine Anerkennung durch den DOSB. Die Anerkennung hätte für die Branche einige Vorteile: In Deutschland könnten mehr internationale Turniere ausgetragen werden,  E-Sport-Institutionen könnten eine Befreiung von Ertrags- und Vermögenssteuer beantragen und sich für die Sportförderung der Länder bewerben. Außerdem treten immer noch Probleme bei den Einreisebedingungen für ausländische Pro-Gamer und -Trainer auf. Und das, obwohl durch die "Electronic Sports League" (ESL) mit Hauptsitz in Köln, mehrmals pro Jahr internationale Wettkämpfe in Deutschland veranstaltet werden.

Im Video erzählt der Streamer Eni, wie es dazu gekommen ist, dass er mit League of Legends inzwischen seinen Lebensunterhalt finanziert und PR-Manager Christopher Flato, was die ESL tut, um den E-Sport in Deutschland voranzutreiben.

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Zocken im Wahlprogramm

Dass die Wahrnehmung des E-Sports eine größere Reichweite erlangt und sich sogar die Politik mit dem Thema auseinandersetzt, wird durch den Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung der Videospielmesse Gamescom 2017 deutlich. Mehrere Parteien, darunter auch CDU und SPD, nahmen E-Sport in ihr Wahlprogramm auf und versprachen, Rahmenbedingungen verbessern zu wollen. Ganz frisch wird der E-Sport im Koalitionsvertrag von Union und SPD erwähnt: Dort heißt es, dass E-Sport als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkannt und unterstützt werden soll. Das trifft bei den Vertretern des klassischen Sports aber nicht unbedingt auf Zustimmung. Als Gastredner einer CDU-Veranstaltung übte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Reinhard Grindel Kritik, wie die "Welt" berichtete: "E-Sport kann Vereinssport in keiner Weise ersetzen. Fußball gehört an die frische Luft und auf den Rasen."

Sportvereine im Wettkampf

Neben der schnellen lokalen Entwicklung von Vereins- und Gruppenbildungen in Städten und Hochschulen, wie zum Beispiel der Gründung der University Esports Germany, steigen namhafte Fußballclubs in die Branche ein. Neben Ajax Amsterdam, Paris Saint-Germain oder Manchester City stellen auch die Bundesligisten Schalke 04 und VfL Wolfsburg eigene Teams für "League of Legends", "Fifa" oder weitere populäre E-Sport-Titel. Auch die "National Basketball Association" (NBA) gründete ihre eigene E-Sport-Liga, die 2018 starten soll – die "NBA 2K eLeague" für das gleichnamige Videospiel.

Sportliches Videospielen

Ob E-Sport tatsächlich als Sport zu verstehen ist, wirft gegenteilige Meinungen auf. Der DOSB hatte sich lange Zeit dagegen gewehrt. Nach der Gründung des eSport-Bund Deutschland kündigte man jedoch an, eine eigene Arbeitsgruppe für das Thema ins Leben zu rufen. Weniger habe man sich an der Definition, sondern vielmehr an den bislang fehlenden Strukturen gestört. "Allerdings muss es für eine anerkannte Sportart auch praktikable Lösungen für die - bisher fehlende - Vereinsstruktur geben", so DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch gegenüber der Rheinischen Post.

Bei E-Sport-Wettkämpfen werden Höchstleistungen von den Profispielern erwartet. So wird bis zu 400 Mal in der Minute auf Maus und Tastatur geklickt – schnelle Reaktionen und Geschicklichkeit sind Voraussetzungen für einen professionellen Spieler. Daher wird beim Training der Teams auf körperliche Fitness, Ernährung und psychologische Betreuung der Profispieler geachtet. Neben den körperlichen Anstrengungen sind Strategie, Planung und Timing sowie Teamgeist und Fairplay wichtige Bestandteile der digitalen Wettkämpfe – Werte, die bei allen anerkannten Sportarten fest verankert sind.

Vorreiter Südkorea

Betrachtet man den Stand in Südkorea, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Anfang des Jahrtausends entwickelte sich dort rasend schnell eine E-Sport-Szene, die heute als Vorbild für andere Länder gilt. Der E-Sport-Verband KeSPA wurde 1999 von Einzelpersonen ins Leben gerufen und wurde 2000 mit Anerkennung des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Republik umbenannt. Große Unternehmen wie der Elektronikhersteller Samsung und das Telekommunikationsunternehmen SK Telecom sponsern die erfolgreichsten E-Sport-Teams, deren Spieler auf der ganzen Welt wie Popstars gefeiert werden.

Was ist eigentlich E-Sport?

E-Sport – elektronischer Sport – bezeichnet das kompetitive Computerspielen, meist mit mehreren Spielern. Dabei wird die Spitze von bestimmten Spielen wie League of Legends, Counter-Strike: Global Offensive oder Dota2 dominiert. Beim E-Sport werden professionelle Wettkämpfe mit festen Teams ausgetragen, die aus Vollzeit-Spielern bestehen. Oftmals finden rund um diese Wettkämpfe Events mit ausgebuchten Stadien statt wie die ESL One oder The International. Die professionelle Ebene ist klar von der der Hobbyspieler abzugrenzen – was für den Einen bloßes Freizeitvergnügen ist, bedeutet für den Anderen harte Arbeit.

Titelbild mit freundlicher Genehmigung der ESL.

Die Autoren:

Sarah Marie Lange

Jonathan Kemper

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