Rund 2000 Heliostaten reflektieren das Sonnenlicht und bündeln es so an der Turmspitze die Energie im Receiver // Foto: Tobias Sluzalek

Sonnentürme für die Wüste

07.08.2017//Seit einigen Jahren werden Solarkraftwerke auf dem weltweiten Energiemarkt durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen zurückgedrängt. Die Technologie wird jedoch noch weiterhin erforscht – so auch am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Dort hatten Besucher nun die Möglichkeit, Deutschlands einziges Solarturmkraftwerk zu besichtigen.//Von Tobias Sluzalek

Sobald sich die Sonne am Himmel zeigt, erleuchten hunderte Spiegel den Solarturm des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Jülich. Anfang Juli konnten interessierte Besucher das Testgelände betreten und einen näheren Blick auf das Kraftwerk werfen. Herzstück der Anlage ist der 60 Meter hohe Solarturm, der bereits aus weiter Ferne erkennbar ist.

Seine Funktionsweise ist schnell erklärt: Eine Vielzahl von Spiegeln reflektieren Sonnenlicht und bündeln es an der Spitze des Turms, wo sich ein sogenannter Receiver befindet. In ihm entstehen je nach verwendetem Absorber-Material und Größe des Kraftwerks Temperaturen von 600 bis 1000 Grad. Die Wärme wird anschließend auf einen Wasserkreislauf übertragen. Dabei entsteht unter hohem Druck Wasserdampf, der wiederum eine Dampfturbine antreibt und auf dem Weg Strom produziert - In Jülich überschaubare 1,5 Megawatt, doch an den weltweit größten Anlagen weit mehr als das Fünfzigfache.

Wüstenprojekt weckte hohe Erwartungen

Seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2008 diente der Solarturm in Jülich vor allem zur Grundlagenforschung für Großkraftwerke in sonnenreichen Regionen der Erde. Etwa zur gleichen Zeit nahm auch das Wüstenstromprojekt Desertec an Fahrt auf. Bereits Jahre zuvor überprüfte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Machbarkeit der Vision und leistete die technologische Entwicklungsarbeit, um sie umzusetzen.

Die Zahlen klangen vielversprechend: Laut Berechnungen des DLR sollte eine Fläche von 300 mal 300 Kilometer oder 90.000 Quadratkilometern ausreichen, um den weltweiten Strombedarf zu decken. Aussagen wie diese verhalfen der Initiative in kurzer Zeit zu großer Popularität. Nur fünf Jahre später dann die Ernüchterung: 2014 hatten sich fast alle Beteiligten aus dem Projekt zurückgezogen.

Solarkraftwerk: Hoher Aufwand trotz einfacher Funktionsweise

Prof. Dieter Franke//Foto: Marie Louise Franz

Prof. Dieter Franke//Foto: Marie Louise Franz

Dieter Franke, Professor für nachhaltige Ingenieurswissenschaften an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, nennt gleich mehrere Gründe, warum es an der Umsetzung des Projekts scheiterte. Zum einen spiele die politische Instabilität in den Regionen eine Rolle, zum anderen führten die sinkenden Herstellungskosten von Photovoltaik (PV) Modulen dazu, dass jede durch Solarkraftwerke erzeugte Kilowattstunde um ein vielfaches teurer wurde, als es bei PV-Anlagen der Fall war. Dies förderte ganz besonders in Deutschland die dezentrale Produktion von erneuerbaren Energien und drängte im selben Atemzug die Idee, Strom aus der Wüste zu beziehen, in den Hintergrund. In dem Zusammenhang sei auch die vergleichsweise aufwendige Bauweise von Solarkraftwerken ein wesentlicher Grund gewesen.

Professor Dieter Franke zu den Herausforderungen beim Bau von Solarkraftwerken

Die Reflektoren der Heliostaten unterscheiden sich kaum von handelsüblichen Badezimmerspiegeln//Foto: Tobias Sluzalek

Die Reflektoren der Heliostaten unterscheiden sich kaum von handelsüblichen Badezimmerspiegeln//Foto: Tobias Sluzalek

Die Umsetzung schreitet im Stillen voran

Robert Pitz-Paal//Foto: DLR

Robert Pitz-Paal//Foto: DLR

Trotz der technischen Herausforderung sind bis heute mehrere Projekte in Afrika, dem Nahen Osten und in Südeuropa realisiert worden. Diese Kraftwerke exportieren den erzeugten Strom jedoch nicht, sondern dienen ausschließlich der lokalen Stromversorgung. Bis 2035 würde es dabei auch bleiben, schätzt Professor Pitz-Paal, leitender Direktor der solarthermischen Forschungsabteilung des DLR. Wüstenprojekte wie Desertec mit einem kurzfristigen Ausbau von Stromleitungen, die Nordafrika mit Zentraleuropa verbinden, erscheinen ihm zurzeit unwahrscheinlich. Die Geschäftsmodelle, bei denen Strom aus sonnenreichen Gebieten der Erde nach Europa transferiert werden, seien jedoch grundsätzlich nach wie vor denkbar. Sofern ihre Baukosten zukünftig noch weiter sinken, hätten Solarkraftwerke in der Energiewende dennoch ihren festen Platz, behauptet Pitz-Paal.

Zwischenspeicher – wenn die Sonne mal nicht scheint

Einen entscheidenden Vorteil bringen solarthermische Kraftwerke nämlich mit sich. Und zwar erzeugen sie, anders als PV-Anlagen, keinen Direktstrom sondern Wärmeenergie, die sich deutlich einfacher als elektrische Energie in thermischen Speichern konservieren lässt. Nachts oder bei Schlechtwetterfronten kann bei Bedarf auf die gespeicherte Wärmeenergie zurückgegriffen und damit auch unter dunklem Himmel Strom erzeugt werden. Das macht sie grundlastfähig. PV- und Windkraftanlagen sind dazu entweder auf teure Akkuspeicher oder Pumpspeicherkraftwerke angewiesen. Letztere Technologie ist in den Trockengebieten aufgrund von allgemeiner Wasserknappheit jedoch nicht umsetzbar.

Wärme hingegen lässt sich einfach in verschiedensten Materialien speichern. Flüssigsalzspeicher finden derzeit in den bereits bestehenden Kraftwerken am häufigsten Gebrauch. Das geschmolzene Salz speichert die Wärme bis zu acht Stunden und gibt sie anschließend nahezu verlustfrei wieder an den Wasserkreislauf und die Dampfturbine weiter. Dies sei ein guter Anfang, doch nicht ausreichend, um sich nachhaltig von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen, erklärt Karl-Heinz Funken, Abteilungsleiter für solarthermische Großanlagen beim DLR. In den letzten 20 Jahren erforschte das Institut die Wärmespeicherkapazität von verschiedensten Materialien. Besonders bewährt habe sich dabei eine löchrige Wabenstruktur aus Keramik, welche derzeit auch im Jülicher Solarturm verbaut ist und dort für den Großeinsatz getestet wird. Die Technologie ist zum einen kostengünstig und in der Handhabung noch einfacher zu bedienen als geschmolzenes Salz. Außerdem speichert es die Wärme bis zu 24 Stunden lang – genug um eine ganze Nacht ohne weiteres zu überbrücken, so Funken.

Die roten Quadrate stellen die zu bespiegelnden Fläche an, um den weltweiten Energiebedarf zu decken. Links die ursprünglich berechnete Fläche, Rechts die nach heutigem Fortschritt tatsächlich benötigte Fläche (Quelle:Google-Earth)// Foto: Tobias Sluzalek

Die roten Quadrate stellen die zu bespiegelnden Fläche an, um den weltweiten Energiebedarf zu decken. Links die ursprünglich berechnete Fläche, Rechts die nach heutigem Fortschritt tatsächlich benötigte Fläche (Quelle:Google-Earth)// Foto: Tobias Sluzalek

Solarkraftwerke haben geringere Leistung als angenommen

Auch wenn das Wüstenprojekt Desertec im ersten Anlauf gescheitert war, so ist die Grundidee immer noch erhalten. Ihre Umsetzung hat sich nur als deutlich schwieriger herausgestellt, als von den beteiligten Wissenschaftlern zu Beginn angenommen. Wird die tatsächliche Leistung des bisher größten Solarturmkraftwerks im Verhältnis zu seiner Fläche hochgerechnet, dann wäre die zu bespiegelnde Gesamtfläche etwa sechs Mal größer, als in den damaligen Berechnungen des DLR angenommen wurde.

Entscheidungsträger bleibt der Markt

Dennoch werden Solarkraftwerke auch weiterhin gebaut. In der israelischen Negev-Wüste beispielsweise wird noch dieses Jahr der weltweit größte Solarturm mitsamt Spiegelfläche fertiggestellt. Durch die Inbetriebnahme des Kraftwerks sollen 120.000 israelische Haushalte mit regelbarem Strom versorgt und so die landeseigene Energiewende weiter vorangetrieben werden. Wie diese in Israel oder weltweit aussehen wird, ließe sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen. Laut Professor Franke sei der Umstieg auf erneuerbare Energien im Allgemeinen nur dann möglich, wenn unabhängig von der Region verschiedene Technologien verwendet werden, um die jeweiligen Vor- und Nachteile zu kompensieren. Welche Technologie sich am Ende in welchem Maße durchsetzt, entscheide aber immer noch der Markt.

Prof. Dieter Frankes Fazit

Tobias Sluzalek

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