Autonome Technik kann Natur schützen

Sind Natur und Technik Gegensätze? Nein, sagt Professor J. Wolfgang Wägele. Für den Zoologen bieten autonome Technologien vielmehr Chancen, um die Menschen auf den Verlust der Artenvielfalt hinzuweisen. Technik könne so die Menschen davon überzeugen, Natur zu schützen und ihr zerstörerisches Handeln zu verändern. // von Lukas Schröter

„Standardisierte Langzeitbeobachtung der Natur braucht Technik“ war zugleich Vortragstitel und Botschaft von J. Wolfgang Wägele, Professor für Spezielle Zoologie an der Universität Bonn und Direktor des Zoologisches Forschungsmuseum König. „Natur und Technik sind keine Gegensätze, Technik kann zum Schutz der Lebenswelt beitragen“ ist er überzeugt. Er fordert ein Monitoring für Biodiversität, ähnlich wie es bereits in der Klimaforschung eingesetzt würde. Nur so könne Biodiversität geschützt werden.

Insektensterben ohne Ende

Während dieses Vortrags sprach er darüber wie autonome Technik dabei helfen kann, Biodiversität zu erfassen. Foto: Roman Heinrichs

„Wir befinden uns in dem Zeitalter der Biodiversitätskrise“, beschrieb Wägele die aktuelle Situation. Dramatisch sei es, dass das kaum jemand mitbekäme. Nur älteren Autofahrern würde es auffallen, dass die Windschutzscheiben heute kaum noch mit Insekten verschmutzen würden. Manche Menschen würden das damit begründen, dass die Autos windschnittiger wären als früher und dass die Fliegen und Mücken deshalb weniger Kontaktmöglichkeiten bekämen. Das sei ein Trugschluss: „Wir haben in den letzten Jahren 70 bis 80 Prozent der Insekten in NRW verloren“, sagte Wolfgang Wägele.

Der Mensch und die „Grüne Wüste“

Die Ursachen für den Artenschwund stehen für Wolfgang Wägele fest: In erster Linien ist es die intensive Landwirtschaft, aber auch die Flächenversiegelung durch Straßen und Siedlungsbau seien verantwortlich. In der Landwirtschaft würde alles verpackt oder vergiftet: Heu und Gras würden zu großen Ballen gewickelt und mit Folie abgedichtet und Pflanzenschutzmittel vernichteten die Insekten. Auch der großflächige Anbau von Energiemais sei problematisch: „Wir Biologen sprechen von einer grünen Wüste“, sagte er. Hier könnte Artenvielfalt nicht gedeihen.

Niemand bekommt das Artensterben mit

Prof. Wägele erklärt den Einfluss einer privaten Naturschutzstiftung auf die Artenvielfalt. Foto: Roman Heinrichs

Wägele ist überzeugt, dass der Artenschwund verhindert werden kann, wenn er sichtbar oder messbar ist. „Menschen nehmen Umweltzerstörung oft nicht wahr“, so Wägele. Veränderungen in der Umwelt seien meist subtil und fallen erst dann auf, wenn es bereits zu spät ist. Das Problem bestehe darin, dass es noch keine moderne und effiziente Methode gibt, großflächig Insektenarten zu erfassen. Punktuelle Studien gibt es hingegen schon. In Krefeld haben Insektenkundler über viele Jahre hinweg mit einer sogenannten Malaise-Falle Insekten gefangen und so die Biomasse erfasst. Die Ergebnisse belegen, dass die gewichtsmäßig erfasste Biomasse in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist.

Hightech Barcoding

Mit dieser Methode lasse sich jedoch nicht die Artenvielfalt feststellen. Wägeles Vision ist ein Monitoring mit autonomer Hightech: „Wenn wir in der Lage sind, großflächig Bestände schnell und genau zu erfassen, können wir Arten vor dem Aussterben schützen“, sagt Wägele. Die Technik dazu gäbe es bereits. Er stellte ein kleines Gerät vor, kaum größer als ein USB-Stick, mit dem das Erbgut von Insekten bestimmt werden könnte. Diese Methode des sogenannten DNA-Barcodings sei hocheffizient und könnte die mühselige Arbeit von Insektenforschern, die auch heute noch Insekten mit Pinzette und Lupe katalogisieren, ablösen.

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Tiere erschnüffeln oder erhören

Weitere Hightech-Methoden, die sich für das Monitoring anbieten, sind Bioakustik, automatisierte Bilderkennung und sogenannte Riechstationen. Letztere können Pflanzen und Tiere erschnüffeln. In der Bioakustik werden Mikrofone eingesetzt, um Insekten und Vögel zu erfassen. Die automatische Bilderkennung funktioniert nach dem Prinzip der Gesichtserkennung beim Menschen, kann aber auch für Insekten und Tiere eingesetzt werden. Ein solches Monitoring findet beispielsweise zur Erfassung des Tierbestandes im Mato Grosso statt, einem Naturreservoir in Brasilien.

Nachfolgend einige Eindrücke aus dem Vortrag von Professor J. Wolfgang Wägele, eingefangen von Gonca Sirin:

 

Links:

  • GBOL – German Barcode of Life, ein Projekt, dessen Leitung Wägele inne hat. Hier wird dieses Projekt zum DNA-Barcoding von Tieren, Pflanzen und Pilzen beschrieben.
  • Eine Wetterstation für die Artenvielfalt: Ein Beitrag von Daniela Gebara auf technikjournal.de zu AMMOD = Automated Multisensor Station for Monitoring of Species Diversity, einem Projekt zur Erfassung der Veränderung in der Biodiversität, welches Wägele mitentwickelt.
  • Jakadofsky: Das Unternehmen Jakadofsky hat einen autonomen kleinen Helikopter, der unter der JetCopter-Serie gehört, hergestellt. Dieser sammelte Daten über Seegras und Korallenriffen im Atlantik, um die Zukunft der Unterwasserwelt zu sichern.
  • AMMOD: ist ein Projekt, welches Veränderungen in der Biodiversität messen soll. Mit dieser „Wetterstation für Artenvielfalt“ sollen neuartige Techniken zusammengeführt und angepasst werden, um Artenvielfalt automatisiert zu registrieren.

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